Hospizstiftung rügt Christliche PV als untauglich Streit um Qualität
Inhalt:
1.) Wirkungslosigkeit von Patientenverfügungen durch Qualitätsmängel
2.) Dt. Hospizstiftung und evangelisches Magazin chrismon im Streit um christliche Patientenverfügung
3.) Wo sind qualitativ hochwertige Patientenverfügung-Materialien erhältlich?
Wirkungslosigkeit von Patientenverfügungen durch Qualitätsmängel
Heute vor zwei Jahren trat das Patientenverfügungsgesetz (PatVerfG) in Kraft. Es regelt die Verbindlichkeit dieser vorsorglichen Willenserklärung. Seitdem wird immer wieder auf Qualitätsmängel von Patientenverfügungen (Patientenverfügung) hingewiesen, so dass diese doch nicht wirksam werden können oder gar riskant sind. So hier im focus-Artikel Weshalb nicht jede Patientenverfügung wirksam ist oder im Spiegel-Artikel zum Fluch einer notariellen, zu eng abfassten Patientenverfügung Er konnte noch einen Hauch zuviel
Hintergrund: Meist bleibt die Situation einer Demenz oder schweren Hirnschädigung unterhalb der Grenze des Bewusstseinsverlust, d.h. wenn man noch selbst schlucken kann, außen vor.
Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) hat diesbezüglich die von ihm angebotenen Modelle an Erfordernisse der Praxis angepasst und nochmals verbessert. Die online ausfüllbare Standard-Patientenverfügung 2011 ist seit voriger Woche verfügbar: http://standard-patientenverfuegung.de/patientenverfuegung.php
Auch der Fragebogen für eine Optimale Patientenverfügung des HVD wurde im August 2011 aktualisiert. Noch differenzierter ausformuliert als bisher (Version 2010) wurden in der neuen Version 2011 für eine Optimale Patientenverfügung jetzt v. a. die (ergebnisoffenen) Optionen zur Frage 1, welche die Notfallsituation behandelt und zur Frage 3 zu Gehirnverletzung und Koma.
Deutschlandweit medizinisch-fachkundige Beratung und Aktualisierung mit Überprüfung bietet neben dem Humanistischen Verband Deutschlands die Deutsche Hospizstiftung an (letztere ist eine mitgliederstarke Patientenschutzorganisation für Schwerstkranke und Sterbende, welche wie die Kirchen jede Form so genannter aktiver Sterbehilfe entschieden ablehnt).
Die beiden gemeinnützigen Organisationen halten zudem bundesweite Hinterlegungsstellen vor, siehe des Humanistischen Verbandes in Berlin und der Deutschen Hospizstiftung in Dortmund.
Dt. Hospizstiftung und evangelisches Magazin chrismon im Streit um christlichen Patientenverfügung
Erneut besonders in die Kritik geraten sind die Materialien der beiden Kirchen (aktualisiert 2011) und zwar in einer ausführlichen Stellungnahme, welche die Deutsche Hospizstiftung vergangene Woche verbreitet hat.
Auf 27 Seiten wird darin vor Augen geführt, dass die christlichen Kirchen nicht willens und in der Lage sind, sich der nunmehr geltenden Rechtslage und auch den medizinethischen Desideraten anzupassen. Von ihren Positionen, die sie gegen die Verabschiedung des jetzt geltenden PatVerfG erarbeitet hatten, wollen sie nicht abrücken. Das mag verständlich und berechtigt sein. Schwer wiegt allerdings, dass eben dies in der Anleitung zur Christlichen Patientenverfügung nicht offengelegt wird. Entsprechend fällt das analytische Urteil der Stellungnahme der Hospizstiftung äußerst negativ aus:
Die Christliche Patientenverfügung erweist sich nach alledem als problematisch: Sie verkennt grundlegende rechtliche Wertungen, legt aber zugleich nicht offen, ob es sich hierbei um ein tatsächliches Missverständnis oder um den Versuch einer Korrektur auf theologisch-ethischer Basis handelt. Der kaum zu behebende konstruktive Grundfehler dürfte hier darin liegen, eine Anleitung geben zu wollen, die sich einerseits explizit auf die Glaubensgrundlagen bezieht, andererseits aber diese in eine so enge Verbindung mit den weltlichen Rechtslagen setzt, dass eine Trennung bzw. Unterscheidung kaum möglich ist. ”
Einer der beiden Autoren, Prof. Dr. jur. Wolfram Höfling, hatte bereits in einem Interview mit der evangelischen Zeitschrift chrismon plus auf die eklatanten Mängel hingewiesen. Nach der Autorisierung durch ihn wurde Höfling mitgeteilt, dass das Interview aufgrund einer überraschenden Entscheidung der chrismon-Chefredaktion nicht publiziert wird. Es ist nun auf der Internetseite der Deutschen Hospizstiftung, dessen stellvertretender Vorstandsvorsitzender Höfling ist, nachzulesen.
Auszug:
chrismon: Sie kritisieren die neue Christlichen Patientenverfügung. Warum?
Wolfram Höfling: Gut finde ich, dass die Broschüre zum Nachdenken über das wichtige Thema Patienten-vorsorge anregt und dazu eine christliche Orientierung vermittelt. Aber darüber hinaus ist sie für die Praxis kaum tauglich. Das Formular zur Patientenverfügung hilft in schwierigen Situationen nicht weiter.
chrismon: Warum nicht?
Höfling: Zum Ankreuzen werden Optionen angeboten, die im Endstadium weitgehend unsinnig sind. Wer im Sterben liegt, bekommt keine Dialyse oder künstliche Ernährung mehr ganz unabhängig vom verfügten Willen. Ein Arzt, der solche nicht-indizierten Maßnahmen ergreift, würde Körperverletzung begehen….
so ein Formular erweckt den Eindruck, als stünde das Wichtigste drauf. Wenn ich am Ende dann Platz für Ergänzungen anbiete, ist mir das zu wenig. Zumal die Handreichung kaum weiterhilft. Zum Wachkoma werden zwar christliche Positionen erläutert. Ansonsten spart die Broschüre aber zu viele Situationen aus, die für die Praxis relevant sind.
chrismon: Aber so ein Formular ist doch besser als nichts, oder?
Höfling: Für eine gute Patientenverfügung muss man sich aber fachkundig und persönlich beraten lassen. Ein Beratungsgespräch dauert mindestens zwei, drei Stunden. Wichtig ist, dass es das komplexe Ganze in den Blick nimmt.
chrismon: Was für Folgen kann eine unzureichende Verfügung haben?
Höfling: Fehlt eine vernünftige Anleitung, muss der mutmaßliche Wille ermittelt werden. Zwischen Ärzten, Pflegenden und Angehörigen führt das nicht selten zu Auseinandersetzungen. Der mutmaßliche Wille kann auch ein Einfallstor für Fremdbestimmung sein. …”
Quelle siehe hier (S. 26 das vollständige Interview mit Prof. Höfling, welches nach dem Rückzieher des evangelischen Magazins chrismon nun von ihm selbst veröffentlicht wurde): http://www.hospize.de/docs/hib/Patientenschutz%20Info%20Dienst%202_2011.pdf
Die Redaktion der Zeitschrift diesseits nahm den Vorfall wiederum zum Anlass für eine Berichterstattung und bat die EKD sowie die Deutsche Bischofskonferenz um eine Stellungnahme. Als Ergebnis hält die Redaktion von diesseits fest:
Weder die Evangelische Kirche in Deutschland noch die Deutsche Bischofskonferenz wollten sich als Herausgeber der Christlichen Patientenvorsorge inhaltlich zur DHS-Kritik gegenüber diesseits äußern. EKD-Pressesprecher Reinhard Mawick sagte, dass man jetzt nicht Stellung beziehen wollte. Ähnlich, in der Tendenz aber offensiver, die Antwort seines Kollegen bei der Bischofskonferenz. DBK-Pressesprecher Matthias Kopp sagte, dass man sich nach Rücksprache mit der EKD aktuell nicht äußern wolle. Die doch umfangreiche Ausarbeitung der Hospizstiftung bedarf einer genaueren Prüfung, auch in juristischer Hinsicht”, heißt es in seiner Antwort auf die Anfrage der Redaktion
Quelle: diesseits online vom 1. September 2011
Wo sind qualitativ hochwertige Patientenverfügung-Materialien erhältlich und wie werden sie verbreitet?
Während die Hospizstiftung ihre Patientenverfügung-Angebote nur ihren Mitgliedern zugänglich macht, bietet der Humanistische Verband seine Materialien nicht nur für jeden als kostenfreien Download oder zur Bestellung im Internet (www.patientenverfuegung.de) an, sondern verteilt sie auch auf Kongressen oder Infotagen.
Im September werden die aktuellen Patientenverfügung-Materialien des Humanistischen Verbandes in Papierform u. a. vorgestellt und angeboten auf der Rehacare-Fachmesse und Kongress vom 21.-24. September in Düsseldorf mit dem Schwerpunkt “Leben und Wohnen mit Demenz”
Hinweis auf einen Fachvortrag am 22. September dazu (Patientenverfügung bezogen auf Demenz):
14.45 16.15 Uhr, Rehacare-Messe Düsseldorf, CCD Süd, Raum 2 (Session VI)
Weitere Standard-Angebote, z. B. des Bundesministeriums der Justiz und der Hamburger Ärztekammer finden Sie im Überblick hier (mit Vergleichsangaben zu Reichweite, Aufwand, Individualität, Kosten und mit Link zum jeweiligen Anbieter).