Wird das Sterben humaner durch Verbindlichkeit von PV?
15 Jahre Erfahrung der Zentralstelle Patientenverfügung – mehr als ein Stück Papier
Am 1. Oktober um 13.05 Uhr bringt das Deutschlandradio Kultur ein Porträt über die Zentralstelle Patientenverfügung in Berlin. (Titel: Wird das Sterben humaner?)
Diese gemeinnützige Einrichtung des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) wurde vor 15 Jahren gegründet und zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Hier werden Patientenverfügungen nicht nur optimal maßgeschneidert abgefasst, sondern auch verwahrt und beständig aktualisiert (siehe: www.patientenverfuegung.de ). Bei Bedarf findet Nachsorge und Begleitung statt auch zum humanen Sterben. Die gesammelten Erfahrungen, die dann auch der Formulierungen von praxistauglichen Patientenverfügungen zugute kommen, dürften dabei einzigartig sein.
Zahlenmäßig nennenswerte Probleme mit der Verbindlichkeit der von ihnen verfassten Patientenverfügung hat es laut Gita Neumann (HVD) auch vor der gesetzlichen Regelung nicht gehabt. Jetzt sei aber doch alles bedeutend leichter geworden: Man könne sich endlich um die wirklichen Problemen kümmern ohne sich weiter in lähmende Rechtsdebatten verstricken zu müssen. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Regelung von Demenz. Ein bisher kaum erkanntes Probem sei, dass eine Patientenverfügung im Laufe der Zeit um so mehr der Anpassung an veränderte Umstände bedürfte, je konkreter und individueller sie sei.
Wie sich Einstellungen ändern
Im Beitrag wird an intimen Interviews mit zwei älteren Frauen deutlich, wie sich deren Lebensumstände und damit auch Einstellungen im Laufe der Jahre gewandelt haben. Diesen Entwicklungen trägt die Zentralstelle Rechnung, indem deren Mitarbeiterinnen ohne weitere Kosten – Anpassung und Nachsorge anbieten. Davon wird auch intensiv Gebrauch wird. So berichtet eine Patientin nach Schlaganfall, dass sie eigentlich nie in ein Altenheim gewollt hätte, wo sie sich seit einigen Wochen befindet. Hätte sie sich früher aus Angst vor Pflegebedürftigkeit lieber das Leben nehmen wollen, kann sie sich jetzt mit ihrem Schicksal gut einrichten.
Sie wird im Heim von einer Ehrenamtlichen Helferin des HVD besucht. Die verantwortliche Aufgabe der Anpassung ihrer Patientenverfügung an die neuen Bedingungen ist aber einer qualifizierten hauptamtlichen Mitarbeiterin vorbehalten. Besondere Sorgfalt ist laut Gudrun Ott-Meinhold, Palliativberaterin des HVD, geboten, seitdem die Patientenverfügung definitiv ohne Reichweitenbeschränkung verbindlich gilt.
Die Redakteurin des Beitrags, Jantje Hannover, begleitet deren Besuch im Heim. Sie zeichnet auch ein Beratungsgespräch mit einer Klientin in der Sprechstunde der Zentralstelle auf und nimmt an einer Fortbildung für Ehrenamtliche Helfer/innen teil.
Langjährige Kontakt schaffen Vertrauen
Die Vernetzung mit Hospizdiensten, Betreuungsvereinen, HVD-Landesverbänden und anderen Diensten vor Ort unter Einbeziehung von Ehrenamtlichen charakterisiert diese bundesweit tätige Einrichtung. Der frühzeitige, noch in guten Tagen geknüpfte und langjährig gewachsene Kontakt mit der Zentralstelle Patientenverfügung bewirkt i.a.R. ein Vertrauensverhältnis. Auch Suizidwünsche von Hochbetagten, die sich nie an eine andere Beratungs- oder Suizidpräventionsstelle wenden würden, werden an die Mitarbeiter/innen des HVD herangetragen.
Viel mehr als ein Stück Papier
Zum Konzept gehört schließlich der enge Kontakt mit Angehörigen oder Bevollmächtigten, vor allem im dann eingetretenen Notfall. Diese werden menschlich und fachlich unterstützt, wenn es um Entscheidungsfindungen aufgrund der Patientenverfügung und um praktische oder psycho-soziale Belange geht.
Fazit: Nicht ein Stück Papier macht das Sterben humaner, aber die lange teils mehr als 10 Jahre währende Begleitung. In deren Zentrum steht hier allerdings die Dokumentation der individuellen Wünsche, Bedürfnisse, Ängste und Behandlungsanweisungen in einer Patientenverfügung. Mindestens alle zwei Jahre einmal, auf Wunsch oder bei Bedarf aber öfter, finden Kontakte zu den etwa 6500 Menschen statt, die ihre Patientenverfügung in der Zentralstelle hinterlegt haben. Nicht nur das Sterben, sondern das Leben wird durch einen solchen Umgang humaner – davon zeigen sich zumindest die 7 Mitarbeiter/innen dort überzeugt.
Zur Sendung
Dauer: 20 Minuten
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Nach Ausstrahlung ist die Sendung hier nachzulesen bzw. nachzuhören: