Fundierte Berichterstattung contra vorschelle Meldung zur Rechtsausschuss-Sitzung
Zur Anhörung im Rechtsausschuss – vorschnelle Meldungen
Der Deutschlandfunk meldete am 4.3. zur Expertenanhörung über das Thema Patientenverfügungsgesetz im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages:
„ Zypries: Derzeit keine Einigung bei Patientenverfügung möglich … Dazu seien die Differenzen der drei interfraktionellen Vorschläge in der Frage des Selbstbestimmungsrechts zu groß. … " www.dradio.de/aktuell
Das Ärzteblatt nahm die Meldung auf:
„ Für eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen ist keine baldige Entscheidung in Sicht. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sieht kaum Chancen auf eine schnelle Einigung… "
Etliche haben ins gleiche Horn gestoßen. So meint auch openpr.de:
„ … Die ersten Pressemeldung nach der Sitzung verheißen allerdings nichts Gutes: Allen voran unsere Bundesjustizministerin ist eher skeptisch,… kommt. .." http://www.openpr.de/news/288162/Patientenverfuegungsgesetz-Ist-des-Volkes-Wille-unbeachtlich.html
Es entsteht der Eindruck: Weitere heillose Zerstrittenheit und Unmöglichkeit einer Einigung nach der Sitzung im Rechtsaussschuss. Redaktionsmitglieder des Patientenverfügung-Newsletters waren selbst vor Ort und hatten einen anderen Eindruck – auch in Gesprächen am Rande mit einigen Experten und Abgeordneten.
So sind wir der Entstehung der oben stehenden Eilmeldung auf den Grund gegangen. Festzustellen ist zunächst, dass das Zypries-Interview im Deutschlandfunk am Morgen v o r der Anhörung stattfand und sich zudem der entsprechende Wortlaut anders anhört: Zwar dämpft Zypries vielleicht zu große Hoffnungen auf eine baldige Fusionslösung der beiden liberalen Ansätze von Stünker/Kauch und Zöller/Faust. Die Unmöglichkeit einer Einigung bezieht sie aber – was niemanden verwundern kann – eindeutig auf ein Zusammengehen mit der Bosbach-Gruppe. (Mehr und Quelle s. u.)
Fundierte Berichterstattung: Chance auf Verständigung
Wenn Sie stattdessen fundierte Berichterstattung (am Tag nach und nicht am Morgen vor dem eigentlichen Ereignis!) lesen möchten: Wie schon mehrfach verweisen wir auf Matthias Kamann von der Welt:
„Union bei Patientenverfügungen gespalten
Von Matthias Kamann
Bundestagsanhörung: Mehrheit der Fachleute gegen Einschränkung des Patientenwillens – Liberalere Gruppen wollen Verständigung suchen
Berlin – Die Kanzlerin hat sich festgelegt …. " Siehe:
http://www.welt.de/welt_print/article3320824/Union-bei-Patientenverfuegungen-gespalten.html
Hintergrund der verfehlten „Zypries-Meldung" ist die folgende Passage des Interviews mit Silvia Engels im Deutschlandradio am Morgen (!) des 4.3.:
„ … Engels: Schauen wir auf den Hauptkonflikt: Es gibt den Entwurf des SPD-Rechtspolitikers Stünker, den auch Sie wie viele Parlamentarier von SPD, FDP, Linken und Grünen unterstützen. …Im wohl schärfsten Gegensatz dazu steht der Entwurf um den Unionspolitiker Bosbach, der sieht verbindliche Patientenverfügungen nur vor, wenn eine unheilbare, tödliche Erkrankung bereits in einem Endstadium vorliegt oder aber, wenn die Patientenverfügung nach umfassender ärztlicher und rechtlicher Beratung notariell beglaubigt wird. Sehen Sie Einigungschancen zwischen diesen Entwürfen?
Zypries: Ehrlich gesagt, nein, weil die Differenz zwischen der Frage des Geltungsbereichs der Patientenverfügung doch sehr, sehr groß ist. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob ich sage, der Mensch hat ein Selbstbestimmungsrecht, und dieses Selbstbestimmungsrecht erkennt der Staat an in jeder Phase seines Lebens. Das ist unser Entwurf, der Stünker-Entwurf. Oder ob ich wie Herr Bosbach sage, der Mensch kann entscheiden, ob er sich behandeln lassen will oder nicht. Solange er sprechen kann und sich äußern kann … Und dann gibt es eine bestimmte Phase seines Lebens, in dem ich ihm das Selbstbestimmungsrecht aberkenne, und dann, wenn die Krankheit einen unumkehrbar tödlichen Verlauf genommen hat, dann darf er wieder entscheiden. Da kann ich mir, ehrlich gesagt, keinen Kompromiss vorstellen. …. "
Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/928728/
Wenn Sie sich selbst ein Bild von der Expertenanhörung (4 ½ Stunden) machen möchten: http://www.bundestag.de/aktuell/tv/vod/ausschuesse16/a06.html