Legalisierungs-Vorstoß des Hamburger Justizsenators polarisiert (fortlaufend)
Er hat es wieder getan / Neues vom Justizsenator / Danach jedoch Stillschweigen vereinbart. Quelle: taz Hamburg vom 04.02.2006:
Kusch weiter für aktive Sterbehilfe Er hat es wieder getan doch diesmal mit Erlaubnis. Wackel-Justizsenator Roger Kusch (CDU) plädierte gestern auf einer Podiumsdiskussion in der Bucerius-Law-School erneut für eine rechtliche Erlaubnis der aktiven Sterbehilfe und hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf gleich mit im Gepäck. Der Auftritt war allerdings mit Kuschs Kritikern in der CDU abgesprochen.
Außerhalb dieser Anlässe verpflichtete sich der Senator zum Thema zu schweigen, bis auf einer parteiinternen Veranstaltung im Mai weitere Weichen gestellt werden.
Kusch betonte auf der Veranstaltung, er halte die von ihm vorgeschlagene rechtliche Regelung “nach wie vor für notwendig”. Sein Gesetzentwurf, den er nicht als Entwurf seiner Behörde verstanden wissen will, sieht die “Tötung” eines unheilbar erkrankten Patienten “durch einen Arzt” unter festgelegten Bedingungen vor. Zur Untermauerung seiner Kampfbereitschaft verlas der Senator den Brief einer todkranken Hamburgerin, die ihn aufgefordert hatte, auch nach den Kontroversen der vergangenen Tage weiter “für die Sterbehilfe zu kämpfen”.
Die DiskutantInnen, zu denen auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) gehörte, stimmten darin überein, dass es im Bereich der passiven und aktiven Sterbehilfe, des straffreien Beistands zur Selbsttötung und der Tötung auf Verlangen rechtliche Grauzonen und gesetzlichen Regelungsbedarf gebe.
TAZ vom 04.02.2006
Sterbehilfe: Kusch düpiert CDU-Fraktion (Aus: DIE WELT vom 31.01.2006)
Parlamentarier fühlen sich übergangen und fordern Aufklärung
“Hamburg. Zwischen Justizsenator Roger Kusch (CDU) und der CDU-Bürgerschaftsfraktion ist erneut ein heftiger Streit entbrannt. Auslöser sind Kuschs jüngste Äußerungen zum Thema Sterbehilfe. Wie berichtet hält der Justizsenator trotz starker Widerstände aus der eigenen Partei an seiner Fürsprache zur begrenzten Sterbehilfe fest. Damit nicht genug erarbeitet er nach eigenem Bekunden nun sogar einen Entwurf zur entsprechenden Änderung des Strafgesetzbuches.
Das geht der Unions-Fraktion, die schon häufiger von den Alleingängen Kuschs überrascht wurde, deutlich zu weit: “Ich staune über die Ankündigungen unseres Justizsenators”, sagte die rechtspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Viviane Spethmann. “Da er seinen Vorschlag zur Gesetzesänderung nicht mit mir abgesprochen hat, gehe ich weiter davon aus, dass es sich um seine Privatmeinung handelt.”
Zum Hintergrund: Kusch erarbeitet Gesetzentwurf für Sterbehilfe “Ich werde nicht locker lassen”: DIE WELT vom 30.01.2006
19.10.2005 Stern, G+J [Pressemappe]:
Prominente Unterstützung für Sterbehilfe-Gesetz Hamburg (ots) Die Forderung von Hamburgs Justizsenator Roger Kusch (CDU), aus Nächstenliebe die aktive Sterbehilfe zu legalisieren, hält die Grünen-Politikerin und Theologin Katrin Göring-Eckardt für gefährlich. In einem Streitgespräch der beiden mit dem Hamburger Magazin Stern sagte die Bundestags-Vizepräsidentin Göring-Eckardt, eine derartige Regelung “würde den Druck auf todkranke Patienten, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, enorm erhöhen”. Viele alte Leute sagten sich schon jetzt: Ich falle meiner Familie und dem Gesundheitssystem nur noch zur Last. “Wir sollten es nicht so weit kommen lassen, dass sie sich genötigt fühlen, sozusagen sozial verträglich abzuleben. Und die Gefahr sehe ich, wird Ihr Vorschlag umgesetzt.” Auf die Frage, ob sie selbst aktive Sterbehilfe in Anspruch nehmen würde, antwortete sie: “Heute sage ich, dass ich mir das nicht vorstellen kann. Aber ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn ich schwer krank bin und da der Giftbecher steht. Ich müsste jetzt eigentlich sagen auf gar keinen Fall! Ich hoffe, dass ich immer bei dieser Haltung bleibe, die ich als Christin habe.”
Justizsenator Kusch setzte sich in dem Streitgespräch erneut dafür ein, Sterbehilfe in Deutschland generell zu ermöglichen “unter ganz bestimmten, gesetzlichen Voraussetzungen”. Eine Stern-Umfrage, nach der 74 Prozent der Deutschen eine aktive Sterbehilfe für Todkranke auf deren ausdrücklichen Wunsch hin befürworteten, bestätige ihn in seiner Auffassung.
Quelle: DIE WELT, 13.10.2005:
“Selten haben Äußerungen eines Hamburger Senators die Nation derart gespalten, wie die Forderung des Hamburger Justizsenators Roger Kusch, die “Tötung auf Verlangen” zu legalisieren. Neben deutlicher Kritik von Kirchen und Verbänden gibt es aber auch breite Zustimmung aus der Bevölkerung. Insgesamt verschärfte sich der Ton gestern deutlich. Der Geschäftsführende Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, warf Kusch “Populismus” und “Volksverdummung” vor und forderte die Vorsitzenden von CDU und CSU auf, “dem Spuk ein Ende zu setzen”. Auch die amtierende Bundesjustizministerin Zypries erteilte der aktiven Sterbehilfe eine klare Absage. Kusch fordert als erster CDU-Politiker eine Änderung des Paragraphen 216 des Strafgesetzbuches dahingehend, dass aktive Sterbehilfe nicht mehr unter Strafe gestellt wird.
Weite Teile der Politik mit Ausnahme der FDP lehnen die Ansicht des Senators ab. Entrüstet über die Aussage des Justizsenators Roger Kusch zeigten sich auch Hamburger Hospize. Margit Gratz vom Malteser Hospizzentrum Bruder Gerhard bekräftigte aus praktischer Erfahrung: “Unsere Patienten haben kein Bedürfnis nach aktiver Sterbehilfe, denn unsere spirituelle und psychosoziale Begleitung der Betroffenen zusammen mit den Angehörigen steigert nicht die Lebenserwartung, dafür aber die Lebensqualität für die noch verbleibende Zeit.”
Laut einer Umfrage des “Stern” sind hingegen Dreiviertel aller Deutschen für die Legalisierung der Sterbehilfe. Unterstützung erhielt Kusch auch vom jüdischen Schriftsteller Ralph Giordano: “Natürlich schreckt in Deutschland die NS-Euthanasie. Aber für viele Deutsche ist dieser Begriff auch nichts als ein Vorwand, sich vor der längst überfälligen Auseinandersetzung mit der aktiven Sterbehilfe zu drücken.” Er stehe da ganz hinter Kusch. Unterdessen legte der CDU-Politiker nach: Im ZDF-Mittagsmagazin sagte Kusch am Mittwoch: “Ich fordere, den Freitod zu respektieren.” Das bedeute jedoch nicht, dass der Freitod gefördert werden solle.
Auszug aus Interview mit Kusch, ZDF-Mittagsmagazin vom 12.10.: ” “Mir geht es darum, dass Menschen frei ihr Leben gestalten und frei auch das Ende ihres Lebens gestalten sollen, wenn sie bei klarem Bewusstsein sind und sich frei entscheiden können”. Der Gefahr des Missbrauchs müsse man immer entgegentreten, sagte Kusch. Daher halte er eine straflose Sterbehilfe erst dann für gegeben, wenn ein ärztliches Beratungsgespräch vorausgegangen sei. “Das ist die Voraussetzung dafür, dass ein Mensch, der sich entschließt, sterben zu wollen, dies auch mit voller Verantwortung seiner eigenen Existenz gegenüber entscheidet ”
Kritik an der Kommerzialisierung des Sterbens wies er zurück: “Die Tatsache, dass Geld im Spiel ist, macht die Sache noch nicht zum Kommerz, der verachtenswert ist.” Kommerz an sich sei ein Wort, dass negativ besetzt sei. Jedes Krankenhaus habe wirtschaftliche Interessen, schließlich lasse sich auch jeder Psychologe seine Beratungsstunden bezahlen.
Auszüge aus einem weiteren Interview mit Justizsenator Kusch aus der Hamburger Morgenpost, vollständig hier: mopo.de
” Kusch: Ich bin mir nicht sicher, ob ich isoliert dastehe. Es gibt viele Mitglieder in der CDU, die mit Sicherheit meine Meinung teilen. Ich respektiere die Gegenauffassung, genauso wie ich erwarte, dass man meine Auffassung respektiert. Es handelt sich um eine Gewissensentscheidung. Und eine Volkspartei wie die CDU tut gut daran, solch eine Gewissensentscheidung in offener innerparteilicher Atmosphäre zu diskutieren.
MOPO: Lässt sich Ihre Forderung mit christlichen Grundwerten vereinbaren?
Kusch: Meiner Meinung nach lässt sie sich nicht nur vereinbaren, sondern ist Folge meines christlichen Welt- und Menschenbilds. Mein christliches Bild enthält die Vorstellung, dass jedem Menschen ein Leben in Würde ermöglicht werden muss. Und zum Leben gehört auch das Sterben. Die Frage, was ein unheilbar kranker Mensch als würdig empfindet oder nicht, ist ihm ganz allein überlassen.
MOPO: Aus welchem Grund sehen Sie die Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe als absurd an?
Kusch: Diejenigen, die sich für die legale, passive Sterbehilfe aussprechen, benutzen die Worte in törichter Weise. Passive Sterbehilfe ist nämlich in aller Regel etwas Aktives. Das ist auf demselben logischen Niveau wie der schwarze Schimmel.
Aus Berliner Morgenpost vom 13.10.2005:
” Wie Kusch argumentierte der Bundesvorsitzende der FDP-Nachwuchses Junge Liberale, Johannes Vogel, die in Deutschland übliche Unterscheidung von passiver, indirekter und aktiver Sterbehilfe sei wenig hilfreich. Das Recht unheilbar Kranker, über Leben und Sterben, Fortsetzung oder Abbruch von medizinischer Behandlung selbst zu entscheiden, müsse gestärkt werden.”