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Mit feinem Gespür und taktischem Geschick

10. Nov 2008

Eine praktikable, an Ethik und Verfassungskonformität orientierte Umsetzung des BGH-Beschlusses zur Patientenverfügung verlangt laut Erklärung von RA Putz folgende Feststellungen (über die jüngsten Erläuterungen der Richterin des 12. Zivilsenats Meo-Micaela Hahne in vom 18.07.2003 berichtete die letzte Ausgabe dieses Newsletters, Zusammenfassung des FAZ-Interviews mit ihr siehe unter www.patientenverfuegung.de/Patientenverfügung/aktuell.htm).


Erklärung und Erwiderung von RA Putz (27.07.):
München, im Juli 2003

‘ Es muss keineswegs immer die Genehmigung des zuständigen Vormundschaftsgerichts eingeholt werden, wenn ein Patient gemäß seiner Patientenverfügung sterben soll, indem man auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet. In der Praxis kann dies auch in Zukunft die Ausnahme bleiben.

Ausdrücklich gilt dies nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs nur im ‘Konfliktfall’, wenn also der Arzt der Meinung ist, es sei nicht vertretbar, den Patienten sterben zu lassen, und der Betreuer des Patienten der Meinung ist, man müsse den Patienten sterben lassen, um dessen Patientenverfügung umzusetzen. Oder in Fällen der unklaren Anwendbarkeit der Patientenverfügung wegen deren mangelnder Formulierungen oder sonstiger Bedenken zur Authentizität.

Wenn sich der Arzt weigert, die valide Patientenverfügung zu beachten und auf einer lebensverlängernden Behandlung ‘besteht’, macht der Weg zum Vormundschaftsgericht jedoch aus ganz anderen, praktischen Erwägungen keinen Sinn: es ist dann angezeigt, den Arzt zu wechseln und die verantwortliche ärztliche Betreuung einem Arzt zu übertragen, der den Patientenwillen nach der vorliegenden Patientenverfügung respektiert. Wenn dann der ‘neue’ Arzt entsprechend dem Patientenwillen nicht mehr auf lebensverlängernden Maßnahmen besteht, kann der Patient sterben, ohne dass es der Einschaltung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Der Arztwechsel wird also den Patientenrechten sehr viel schneller zum Durchbruch verhelfen als der Weg über das Vormundschaftsgericht. Dieses Vorgehen ist völlig legal. Denn ‘eine Kontrolle des ärztlichen Verhaltens obliegt dem Vormundschaftsgericht nicht’ (so BGH a. a. O = FamRZ, 2003, S. 755, li. Sp.). Es besteht also keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob der ‘neue’ Arzt medizinisch begründet oder unbegründet eine weitere Lebenserhaltung nicht anbietet. Nur in Ausnahmefällen, z. B. bei einem Verdacht auf ein kriminelles Zusammenwirken von Arzt und Betreuer, wären derartige Verfahren auch vor einem Vormundschaftsgericht denkbar.

Am Rande sei bemerkt, dass auch in Konfliktfällen ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren wenig Sinn macht: der Arzt, der in einem solchen Verfahren sozusagen vom Vormundschaftsgericht gegen seine Weigerung bestätigt kommt, dass die Beendigung der lebensverlängernden Maßnahmen geboten und rechtens ist, sodass die weitere Lebensverringerung eine strafbare Körperverletzung wäre, wird durch diese Entscheidung ja nicht gebunden. Er kann sich durch Kündigung des Behandlungsvertrages diesem Ansinnen und seiner Mitwirkung jederzeit entziehen. So müsste in diesem Falle trotz des positiven Ausgangs des vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahrens der Arzt gewechselt werden.

Wenn wie im Falle des Traunsteiner Komapatienten kein Dissens oder Konflikt zwischen dem Arzt und dem Betreuer besteht, dann ist das Vormundschaftsgericht auch nicht zuständig für die Durchsetzung des gebotenen Sterben lassens gegen das opponierende Pflegeheim (so zuletzt auch der richtige Hinweis durch das Vormundschaftsgericht Rosenheim unter Bezug auf die neueste BGH-Entscheidung).

Der Konflikt mit dem Pflegepersonal begründet keinen Raum für eine vormundschaftsgerichtliche Überprüfung. Die Mitwirkung des Pflegepersonals musste also vor den Zivilgerichten eingeklagt werden. In diesem Verfahren des Traunsteiner Komapatienten ist demnächst mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu rechnen.

Mehr denn je ist folglich eine juristisch perfekte Patientenverfügung in Kombination mit den entsprechenden Gesprächen im Kreis der Familie in Kombination mit einer Vorsorgevollmacht der sicherste Weg, die Umsetzung des Patientenwillen am Ende des Lebens ohne behördliche oder gerichtliche Verfahren zu garantieren. Wie man sonst noch vorsorgen kann und wie der Patientenwille notfalls gegen Krankenhäuser, Ärzte und Pflegeheime durch den Dschungel verschiedenster Behörden und Gerichte mit rechtlichen Instrumenten, feinem Gespür und taktischem Geschick durchgesetzt werden kann, zeigen die Münchner Rechtsanwälte Wolfgang Putz und Beate Steldinger in ihrem neuen Buch ‘Patientenrechte am Ende des Lebens’.

Gustava Everding schreibt dazu in ihrem Vorwort: ‘Ein Buch, das das Leben geschrieben hat, denn es bringt zu jedem angesprochenen Problem faszinierende und erschütternde Fälle (Menschengeschichten) aus der beruflichen Praxis der beiden Autoren. Ein Buch, das viele betroffen machen wird.’ ISBN 3 423 05696 7 (dtv-Verlag) oder ISBN 3 406 49623 7 (C. H. BeckVerlag)’ (Erschienen im Juni 2003)

Putz und Teipel
Rechtsanwälte / Notar
Berlin / München
E-Mail kanzlei@putz-medizinrecht.de