Alternativentwurf des Humanistischen Verbandes Deutschlands zum BMJ Gesetzentwurf “gewerbsmäßige Suizidhilfe” sowie Stellungnahmen anderer Organisationen
Laut einem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) vom März 2012 soll im Paragrafen 217 des Strafgesetzbuchs neu bestimmt werden:
§ 217 StGB (neu):
“Wer in der Absicht,
die Selbsttötung eines Menschen zu fördern,
diesem hierzu gewerbsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
Entscheidend ist dabei das Wort “gewerbsmäßig“. Darunter versteht der Entwurf ein Handeln in der Absicht, “sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen“.
In der ausfürlichen Begründung zu diesem Entwurf eines neuen Strafrechtsparagraphen wird deutlich, dass er sich gegen die beiden in Deutschland tätigen Suizidhilfegesellschaften DIGNITAS (Hannover) und SterbehilfeDeutschland (bei Hamburg) wenden soll.
Etliche Fachgesellschaften waren Anfang April vom BMJ um eine Stellungnahme gebeten wiorden, darunter auch der Humanistische Verband Deutschland (HVD). Er legte am Ende einer ausfürlichen Begründung einen alternativen Gesetzentwurf vor, Die Stellungnahme des HVD wirft dem Begründungstext des Referentenentwurfs vor, sich bei der “Verwerflichkeit” der organisierten Suizidhilfe zu sehr die Argumente palliativmedizinischer, religiöser und hospizlicher Lebensschützer zu eigen gemacht zu haben. Der alternative Gesetzentwurf des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) sowie die zusammenfassende Einleitung seiner Stellungnahme lautet folgendermaßen:
Alternativvorschlag des Humanistischen Verbandes Deutschlands:
§ 214 Nichthinderung einer Selbsttötung
(1) Wer es unterlässt, die Selbsttötung eines anderen zu hindern oder ihn nach einem Selbsttötungsversuch zu retten, handelt nicht rechtswidrig, wenn die Selbsttötung auf einer freiverantwortlichen und ernstlichen, ausdrücklich erklärten oder aus den Umständen erkennbaren Entscheidung beruht.
(2) Von einer solchen Entscheidung darf insbesondere nicht ausgegangen werden,
1. wenn der andere noch nicht 18 Jahre alt ist oder seine freie Willensbestimmung entsprechend den §§ 20, 21 StGB beeinträchtigt ist oder
2. wenn begründet anzunehmen ist, dass seine Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn der andere von alternativen Optionen zur Hilfe oder Leidminderung Kenntnis erhalten hätte oder eine direkte Beeinflussung durch Dritte nicht stattgefunden hätte.
(3) Absatz 1 gilt auch für Personen in einer Garantenstellung.
§ 214a Unterstützung einer Selbsttötung aus Eigennutz
Wer die Selbsttötung eines anderen aus Gewinnsucht oder aus sonstigen eigennützigen Beweggründen unterstützt oder ihn dazu verleitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft
§ 214b Gewerbsmäßige Werbung für Beihilfe zur Selbsttötung
Wer öffentlich seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung einer Selbsttötung oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet oder anpreist wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Quelle; Dem BMJ Ende Mai 2012 zugesandte Stellungnahme des HVD.
Komplette Stellungnahme des HVD siehe: Stellungnahme des Humanistischen Verbandes Deutschlands zum BMJ-Entwurf.pdf
Stellungnahme des Humanistischen Verbandes Deutschlands zum BMJ-Entwurf
Zusammenfassung (Einleitung):
“Der vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz mag auf den ersten Blick als elegante und akzeptable Lösung erscheinen, zumal er bedenkliche Auswüchse weitergehender Kriminalisierungsvorschläge vermeidet – dies vor dem Hintergrund zu beobachtender, oft bedenklich exzessiv vorgetragener Strafbarkeitswünsche, die teils in anderen Gesetzentwürfen, v. a. aber in literarischen, politischen und ethischen Lebensschutz-Statements zum Ausdruck kommen.
Doch möchten wir kritisch anmerken, dass die vorliegende Begründung sich in unzulässig kurzsichtig und einseitiger Weise auf Ressentiments gegen die beiden in Deutschland agierenden, als anstößig geltenden eingetragenen Vereine SterbeHilfeDeutschland und DIGNITAS Deutschland stützt.
Die Begründung zum Entwurf eines neu zu schaffenden § 217 StGB hebt zudem darauf ab, eine gesellschaftlichen Normalisierung durch gewerbliche Suizidhilfe-Dienstleistungen und damit eine Gefahr für das Leben abwenden zu können und zu müssen. Dies ist jedoch fragwürdig, da die gesellschaftlichen Tendenzen zur Enttabuisierung der Suizidhilfe keineswegs ursächlich mit deren Kommerzialisierung in Zusammenhang zu bringen sind. Der hierbei ersichtlich schwierige Versuch, die nötige Begründung einer rechtsgutsverletzenden Handlung zu konstruieren, erscheint deshalb als nicht tragfähig.
Vor allem aber ist ein gesellschaftliches Interesse am Regelungsbedarf der Suizidhilfe in anderer Weise gegeben. Dabei könnte eine Orientierung an der Befriedung der Debatte durch die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch hilfreiche Impulse geben. Die Stellungnahme präsentiert am Schluss einen eigenen Gesetzentwurf des HVD, der sich aus bisher andernorts formulieren Vorschlägen neu zusammensetzt.
Das Fazit zum vorgelegten Entwurf lautet, dass er wohl weitestgehend wirkungslos sein dürfte, die aufgeheizte Diskussion um die “aktive” Sterbehilfe nicht befrieden wird und dem Anspruch an eine zukunftsorientierte Regelung der Suizidhilfe in Deutschland nicht gerecht zu werden vermag. Stattdessen sollten andere gesetzliche Regelungen erfolgen, wie im weiteren Verlauf der Stellungnahme vorgeschlagen und begründet wird.”
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) zum BMJ-Entwurf:
In der Presseerklärung der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben heißt es zum Gesetzentwurf des BMJ:
Die DGHS “unterstützt prinzipiell die Ziele der Initiative des BMJ. Die Ausn tzung der verzweifelten Lage von Schwerkranken, die keinen anderen Ausweg sehen als die Hilfe einer Organisation in Anspruch zu nehmen, die Sterbehilfe gewerbsmäig, gewinnorientiert betreibt, ist im höchsten Grade verwerflich.
Die DGHS stellt allerdings die Notwendigkeit der geplanten Gesetzesinitiative als unverhältnismäßig in Frage. Sie bezweifelt die Stichhaltigkeit einiger der dafür angegebenen Begründungen. Zudem beklagt sie, dass mit einem solchen Gesetz wieder mal nur Teilbereiche der Probleme am Lebensende, also Symptome, bekämpft werden sollen, die eigentlichen Ursachen aber nicht geregelt werden.
Die DGHS sieht durchaus Möglichkeiten, Sterbewilligen unter Einhaltung strenger Sorgfaltskriterien die Möglichkeit zu einem medikamentös unterstützten Suizid auf nicht-gewerbsmäßiger Grundlage zu eröffnen. Bedingung dafür, so DGHS-Präsidentin Elke Baezner, seien die Aufhebung des standesrechtlichen Verbots der BÄK jeglicher ärztlicher Hilfe beim wohlbegründeten Freitod.”
Quelle: http://www.presseschleuder.com/2012/05/gewerbsmasige-forderung-der-selbsttotung-nein/
Hier in voller Länge die der DGHS und weitere Stellungnahmen: http://www.bundesgerichtshof.de/DE/Bibliothek/GesMat/WP17/S/Selbsttoetung.html
Stellungnahme der EKD hier: http://www.ekd.de/download/Gemeinsame_Stellungnahme%281%29.pdf
Was soll jetzt konkret gefordert werden – wie muss es weitergehen?
Während der HVD dem Entwurf also durchgängig kritisch gegenübersteht, scheint die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) ihn im ethsichen Sinne (“Verwerflichkeit gewerbsmäßiger Suizidhilfe”) zunächst eher positiv zu bewerten. Die DGHS fordert zurecht erneut die Aufhebung des standesrechtlichen Verbots der Bundesärztekammer (BÄK) jeglicher ärztlichen Suizidhilfe – doch wie könnte das Bundesministerium der Justiz darauf Einfluss nehmen?
Man kann natürlich auch beklagen, dass “wieder mal” nur Symptome bekämpft werden, statt “strengste Sorgfaltskriterein für einen nicht-strafbaren medikamentös unterstützten Suizid zu formulieren. Doch wie sollten solche Kriterien denn konkret aussehen?
Es ist wohl an der Zeit, hier Vorschläge zur Diskussion zu stellen. Die nüssen nun nicht so aussehen, wie die vom Humanistischen Verband formulierten bzw. ja eigentlich nur aus anderen Kontexten zusammengestellten.
Aber es geht spätestens jetzt kein Weg mehr an der grundsätzlichen Bewertung der Lage vorbei: Soll der bisherige Zustand einer kompletten Nicht-Regelung der Suizidhilfe im Deutschen Strafrecht so bleiben oder soll es “endlich” eine gesetzgeberische Klärung geben? Im letzten Fall: Vorschläge unterbreiten statt sich beklagen!