So erreichen Sie uns:
Telefonzentrale 030 206 21 78 - 00
Mo, Di, Do 10–17 Uhr, Fr 10–14 Uhr

So erreichen Sie uns:
Telefonzentrale 030 206 21 78 - 00
Mo, Di, Do 10–17 Uhr, Fr 10–14 Uhr

mail@patientenverfuegung.de

Finden Sie eine_n
Berater_in in Ihrer Nähe

Beitrag

Bundestagsdebatte zur Rolle der Ärzte – staatlicher Regulierungseifer am Sterbebett

3. Jul 2015

INHALT:

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag, den 2.7.15, in erster Beratung über vier Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe debattiert.

  1. Hauptstreitpunkt: Rolle der Ärzte

  2. Antrag von Katja Keul (Grüne): Keinem der vorliegenden Entwürfe zustimmmen!

  3.  Mehrheit für restriktives Suizidverbot wahrscheinlich Statements von Verbänden

  1. Kommentar: Staatlicher Regulierungseifer am Sterbebett


1. Hauptstreitpunkt: Rolle der Ärzte

Ein Hauptstreitpunkt in der Bundestagsdebatte: Sollen Ärzte nur im Einzelfall Patienten beim Suizid helfen dürfen, bei Wiederholung aber als organisierter Sterbehelfer mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden? Dies sieht der fraktionsübergreifende Antrag von Matthias Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) vor. Der Arzt und Grünenpolitiker Harald Terpe (Grüne) unterstützt diesen, weil er “kein Sonderrecht für Ärzte” will. Die vorgesehene Strafe auch für Suizidhilfe durch Ärzte würde dem Grundsatz gerecht “Weder besondere Verbote, noch besondere Vorrechte für diese Berufsgruppe. Dieser Entwurf hat bereits über 200 Unterstützer, vielleicht auch, weil er sich als Weg der Mitte anpreist. Er betont seine angebliche Liberaltät, da er Angehörigen und Nahestehenden (wozu dann auch ein Arzt gehören kann) die Beteiligung an einem Suizidgeschehen im Einzelfall weiterhin erlauben will.

Karl Lauterbach (SPD) etwa glaubt jedoch nicht, dass dann noch irgendein Arzt einem sterbewilligen Patienten helfen würde, wenn bei wiederholter Tat (oder mit einer nicht auszuschließenden Absicht zur Wiederholung) das Strafrecht greift. “Stellen Sie sich doch nicht dumm, das macht kein Arzt mehr!”, rief der Mediziner seinen Parlamentskollegen um Brand/Griese zu. Lauterbach und sein CDU-Kollege Peter Hintze wollen den assistierten Suizid deswegen als ärztliches Angebot unter streng eingeschränkten Bedingungen per Zivilgesetz ausdrücklich erlauben. “Wir wollen nicht, dass sich ein verzweifelter Todkranker aus dem Fenster stürzen muss”, so Hintze. Rund 100 Abgeordnete unterstützen bislang den Vorschlag. CDU-Mann Rudolf Henke, Internist und Präsident der Ärztekammer Nordrhein, hielt vehement dagegen: Ob der Gruppe eigentlich klar sei, was ihr Gesetzesvorschlag für den Berufsstand bedeute? Ärztliche Fortbildung, Abrechnungsziffern für Suizidhilfe, Qualitätssicherung? Und mehr noch: Was, wenn das tödliche Mittel [welches eigentlich?] nicht wirkt und der Arzt nachhelfen muss?

Es gibt zwei weitere, weit auseinanderliegende Vorschläge. Der eine hat wenig Chancen, der andere (rigoroseste von allen) gar keine. Etwa 50 Unterstützer hat die Initiative von Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke), die kommerzielle Suizidhilfe verbieten wollen, organisierte Sterbehilfe durch Ärzte und Vereine aber weiterhin erlauben wollen sofern Dokumentations- und Beratungspflichten eingehalten werden. Wir haben eine Verantwortung für die, die entschlossen sind, Suizid zu begehen, ohne andere damit belasten zu wollen, so Künast. Die wenigsten Befürworter hat Patrick Sensburg (CDU), der die Beihilfe zum Suizid grundsätzlich also auch Angehörigen und Ärzten verbieten will. Er erreichte nur mit einiger Mühe das nötige Quorum von 31 Unterstützer/innen, um seinen Vorschlag eines absoluten Suizidhilfeverbots (Strafmaß: bis zu 5 Jahren) überhaupt einbringen zu können.

Rund ein Drittel der 631 Abgeordneten sollen sich bisher keinem der Entwürfe angeschlossen und noch unentschlossen sein. Um diese wird nun gerungen.

Plenarprotokoll der Debatte: https://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/vorlaeufig/18115/381234

 

2. Antrag von Katja Keul (Grüne): keinem der vorliegenden Entwürfe zustimmen !

Der Antrag “Keine neuen Straftatbestände bei Sterbehilfe” von Katja Keul (Grüne) hat dabei nicht die erforderliche Anzahl von Unterstützerunterschriften aus dem Kreis der Abgeordneten erhalten und war somit nicht offizieller Bestandteil der Debatte. Die Autorin (sebst Juristin) hat aber von der Vereinbarung Gebrauch gemacht, ihr Redemanuskript zu Protokoll geben können.

Keul erklärt in ihrer Rede den vielen noch unentschlossenen Kolleg/innen im Bundestag, warum sie keinem der vorgestellten Entwürfe zu einer Mehrheit verhelfen sollten. Ihre Begründung ist einfach: Es gebe gar keinen Regelungsbedarf. Sie beginnt mit den Worten : Was wir leider nicht hören können ist die Gegenrede zu sämtlichen dieser Gesetzesentwürfe. Und deswegen ist es mir persönlich wichtig, dass Sie diese Rede wenigstens lesen können …

Lesen im Patientenverfügung-newsletter exklusiv die Rede von Katja Keul: hier >>>

3. Mehrheit für restriktives Suizidverbot wahrscheinlich Statements von Verbänden

Bei der Reform der Suizidhilferegelung im Bundestag deutet sich eine Mehrheit für eine restriktive Regelung zum Verbot jeder Form organisierter Suizidhilfe an (wenngleich nicht ein Totalverbot auch für Angehörige). Das resumiert aerztezeitung.de.

Bereits im Vorfeld hätten sich bislang 212 von 631 Abgeordneten für diesen fraktionsübergreifenden Antrag von Brand/Griese ausgesprochen. Sterbehilfevereine betrieben ein “zynisches Spiel und wollen den Tod zur Dienstleistung machen”, sagte Katrin Vogler (Linke), die den Entwurf unterstützt. Es gehe darum, gebrechliche Menschen gegen die Zumutungen der Leistungsgesellschaft zu verteidigen.

Hospiz- und Palliativ-Verbände sowie Caritas begrüßen den Brand-Entwurf nur der Humanistische Verband äußert harsche Kritik

Unter aerztezeitung.de sind die zum Gesetzentwurf von Brand/Griese mit Ausnahme des Humanistischen Verbandes positiven Bewertungen gemeinnütziger Verbände aufgelistet:

>> Der Deutsche Caritas-Verband hält ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für “dringend erforderlich”

Mit der gleichen Stoßrichtung kommentiert der Deutsche Hospiz- und Palliativ-Verband (DHPV) die Debatte. Werde die Beihilfe zum Suizid als Aufgabe des Arztes explizit formuliert, hätte das “unübersehbare Konsequenzen für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient”, sagte der DHPV-Vorsitzende Professor Winfried Hardinghaus.

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz favorisiert den Gesetzentwurf von Michael Brand (CDU) und anderen, der ein Totalverbot organisierter Sterbehilfe vorsieht. Anderenfalls werde der “Tod aus den Gelben Seiten” noch befördert, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

Harsche Kritik an dieser Position kommt vom “Humanistischen Verband”: “Warum dilettantische Suizidhilfe durch nicht immer selbstlose Angehörige besser sein soll als professionelle Hilfe, vermag der Entwurf von Brand nicht zu erklären”, hieß es. <<

Quelle: http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/sterbehilfe_begleitung/article/889767/bundestag-befuerworter-des-sterbehilfe-totalverbots-liegen-derzeit-vorn.html

4. Kommentar: Staatlicher Regulierungseifer am Sterbebett

>> Drei Viertel der Bevölkerung wollen am Ende ihres Lebens kompetente Hilfe finden können, falls sie ein für sie unerträgliches Leiden freiwillig beenden möchten. Das bereitet vielen Bundestagsabgeordneten große Sorge als Gesetzgeber wollen sie nunmehr sterbewillige Bürger/innen vor sich selbst und vor vermeintlich normal werdenden Angeboten von einem Suizidhilfeverein in Deutschland und in der Schweiz schützen. Im schlimmsten und gleichzeitig wahrscheinlichsten Fall kann es dazu kommen, dass sogar die Hilfsmöglichkeit in der Schweiz für Deutsche kriminalisiert würden. Die Lage, was zukünftig wie reguliert oder wer mit Gefängnis bedroht werden soll, ist höchst verworren. Die beiden großen christlichen Kirchen haben allerdings eine klare Botschaft.

“Ohne ein klares gesetzliches Zeichen gegen geschäftsmäßig angebotene Beihilfe zum Suizid befürchten wir eine zunehmende Aufweichung des Tötungstabus in unserer Gesellschaft”, heißt es in einem Appell an die Bundestagsabgeordneten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.

Erwin Kress, Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschland, fordert in einer Presseerklärung genau das Gegenteil: Demnach sei kein Platz für staatliche Regulierungswut am Lebensende. 

Mit vielen Vertretern verschiedener Gesetzentwürfe ist in den letzten Monaten landauf, landab bei öffentlichen Veranstaltungen über die Neuregelung der Suizidhilfe diskutiert worden. Dabei vermeiden diese tunlichst, sich als paternalistisch erkennen zu geben und streuen der Bevölkerung Sand in die Augen. Es werden von den Vertreter/innen der einzelnen Anträge immer wieder Absichtserklärungen und zustimmungsfähige Ziele in den Vordergrund gestellt

 So erklärt sich ein beunruhigendes Phänomen: Die drastische Knebelung einer möglichen Selbstbestimmungsoption am Lebensende durch den Deutschen Gesetzgeber ist kaum noch abwendbar. Dies geschieht gegen den Willen der meisten Bürger/innen in eigener Sache doch ist von ihnen bisher unbemerkt geblieben. <<

 Weiter im Originaltext: http://hpd.de/artikel/11912  (dort Übersicht aller Entwürfe im Original und Bewertungen im Einzelnen; juristische Begriffsdefinitionen von geschäftsmäßig, gewerbsmäßig und organisiert)