Bundesverfassungsgericht verhandelt Suizidhilfeverbot
Im April ist gut drei Jahre nach Inkrafttreten des Suizidhilfeverbots im Paragrafen 217 die Verhandlung über dessen mögliche Verfassungswidrigkeit anberaumt. Im Bundestag hat sich zudem die FDP mit einem Antrag dafür eingesetzt, dass Medikamente zur eigenen Lebensbeendigung nicht völlig verwehrt werden.
Wann wird Karlsruhe entscheiden?
Die Beschwerdeführer werfen dem Parlament vor, mit dem Verbotsparagrafen 217, der seit Ende 2015 die organisierte sowie die wiederholte ärztliche Suizidhilfe unter Strafe stellt, ihre Grundrechte verletzt zu haben. Der Paragraf müsse wegen Verfassungswidrigkeit wieder abgeschafft werden, so die Forderung der Kläger. Der Tagesspiegel gab vorab bekannt, dass der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine vertiefte Erörterung in Form einer mündlichen Verhandlung für den 16. und 17. April angesetzt habe. Inzwischen wurde der Termin von betroffenen Rechtsanwälten sowie weiteren eingeladenen Personen bestätigt. Angehört werden jedenfalls vier Palliativmediziner, die gemeinsam Beschwerde eingereicht haben, der Rettungs- und Palliativmediziner einer Einzelbeschwerde sowie weitere Expert_innen pro Suizidhilfe. Somit kann der Senat des BVerfG vor allem ein Spektrum an Palliativärzten und erfahrenen Praktiker_innen zum Thema Suizidbegehren bei Schwerstkranken und Sterbenden befragen. Er scheint sich nicht auf die Vertreter_innen der Bundesärztekammer, der Palliativmedizin und der psychiatrisch orientierten Suizidverhütung verlassen zu wollen, die auch zur Anhörung geladen sind.
Mehrere Verfassungsbeschwerden waren nicht nur von Ärzten, sondern auch von schwerkranken Privatpersonen sowie Sterbehilfeorganisationen gegen den Ende 2015 in Kraft getretenen Strafrechtsparagraphen 217 eingereicht worden. Laut vorliegender
Gliederung der BVerfG-Verhandlung werden insgesamt sechs Beschwerden erörtert – neben den beiden ärztlichen zwei der Suizidhilfeorganisationen, eine eines betroffenen Patienten und eine „Sammel-Beschwerde“ verschiedener Personen. Die Gerichtsentscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Verbots organisierter Suizidhilfe kann dann noch Monate dauern, dürfte jedoch bis Ende 2019 erfolgt sein.
Ein Urteil aus Karlsruhe kann sich wiederum auf den Umgang der Bundesregierung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) auswirken, das heißt auf die Überlassung von Medikamenten zum Suizid an Patient_innen beziehungsweise deren Ärzt_innen.
Die FDP stellt Antrag an Bundestag und macht mobil
Bereits im Oktober 2018 hatten die Freien Demokraten (FDP) einen Antrag formuliert mit der Überschrift: „Rechtssicherheit für schwer und unheilbar Erkrankte in einer extremen Notlage schaffen“. Er betrifft ausschließlich die Möglichkeit der Suizidhilfe. Ein Anlass dazu ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom März 2017 (Az.: 3 C 19.15). Es besagt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Suizidwilligen, die sich wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befinden, den Erwerb eines Betäubungsmittels nicht verwehren darf. Dieses Urteil steht jedoch in Konflikt zu § 217 Strafgesetzbuch, mit dem der Bundestag 2015 die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt hatte.
Die FDP fordert nunmehr die Bundesregierung auf, das BVerwG-Urteil, das heißt geltendes Recht, nicht länger zu blockieren. Allen der bisher über 120 Antragsteller_innen ist ein Bescheid des BfArM für ein tödlich wirkendes Mittel verweigert worden. Dies ist einem – als rechtswidriges Unterlaufen angesehenen – „Nichtanwendungserlaß“ von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an das ihm unterstellte Bundesinstitut geschuldet.
Strafanzeige gegen Jens Spahn wegen Rechtsbeugung
Der Sterbehilfeverein Dignitas hat dies bezüglich sogar Strafanzeige gegen Spahn wegen Rechtsbeugung gestellt „Dass die höchste Verwaltungsspitze ein von einem deutschen Gericht erlassenes Urteil unterläuft und faktisch außer Kraft setzt, ist unter keinem Aspekt mit der Rechtslage in einem Rechtsstaat vereinbar“, heißt es in der Anzeige.
Ein Verfahren auf den Weg zu bringen, um die Anträge überhaupt sachverständig beurteilen und je nach Ergebnis Bescheide erlassen zu können, ist auch zwei Jahre nach dem BVerG-Beschluss nicht in Sicht.
Die FDP fordert folgerichtig eine von Spahn anzuordnende Einrichtung von – unter anderem ärztlich besetzten – Fachgremien im BfArM. Daneben will die Partei, dass Wertungswidersprüche zum umstrittenen § 217 Strafgesetzbuch aufgelöst werden, welcher die organisierte Förderung der Suizidhilfe mit bis zu drei Jahren Gefängnis bedroht. Der FDP-Antrag wendet sich an den Deutschen Bundestag. Dort hat sich der Gesundheitsausschuss im Februar in einer Expertenanhörung aufgrund dieses FDP-Antrags mit Fragen der Sterbehilfe befasst. Mehr