Ein Fall für den Papierkorb
Ein neues Faltblatt mit dem Muster einer ‘Vollmacht mit Betreuungsverfügung’ aus dem Hause der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ist in Fachkreisen auf einhellige Ablehnung und teils vernichtende Kritik gestoßen.’ Es handelt sich offenbar um einen Schnellschuss, der auch mit dem jetzt zeitgleich vorliegenden Endbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ‘Betreuungsrecht’ nicht abgestimmt ist’, urteilt Gita Neumann vom Humanistischen Verband, ‘man kann nur hoffen, dass die Ankündigung einer flächendeckenden Postwurfsendung dieses Faltblattes mit Foto und Unterschrift der Ministerin sofort gestoppt wird. Da es in Überschrift und Text etwas anderes vorgibt, als dann im Muster zur Unterschrift ansteht, handelt es sich im Sinne des Verbraucherschutzes um einen bedenklichen Vorgang und insgesamt um einen eindeutigen Fall für den Papierkorb.’
Moderater im Ton, aber ebenfalls kritisch in der Sache fällt die Bewertung der Leiterinnen und Leiter von Betreuungsbehörden aus, die sich gestern auf ihrer Jahrestagung 2003 in Erkner u. a. auch mit diesem Thema beschäftigten und die im Folgenden wörtlich zitierte Stellungnahme abgegeben haben:
Jahrestagung 2003 der Leiterinnen und Leiter von Betreuungsbehörden Erkner, 28.05.2003
Anlässlich der diesjährigen Jahrestagung von 150 Leiterinnen und Leitern von Betreuungsbehörden wurde das vom Bundesjustizministerium herausgegebene Faltblatt ‘Wer klug ist, sorgt vor!’ beraten.
Als für die Information über die Möglichkeiten der Vorsorge durch Vollmachten zuständige Mitarbeiter von örtlichen Betreuungsbehörden haben wir folgende kritische Anmerkungen zu dem Faltblatt:
Zunächst ist festzustellen, dass der erläuternde Teil des Faltblattes mit seinen Informationen zur Vorsorgevollmacht mit dem sich anschließenden Muster einer direkt wirksamen Vollmacht nicht übereinstimmt.
Wir stimmen mit den Autoren des BMJ-Faltblattes darin überein, dass eine Vorsorgevollmacht nur unter der Voraussetzung der unbedingten Wirksamkeit im Rechtsverkehr Anerkennung findet.
Der Vorsorgefall (Krankheit, Unfall) ist zwar erläutert, nicht aber wie der Bedingungseintritt im Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer zum Schutz des Vollmachtgebers sichergestellt werden kann. Aus der täglichen Informationspraxis der Betreuungsbehörden ist bekannt, dass der Rat suchende Bürger sich für das Instrument der Vorsorgevollmacht nur entscheidet, wenn seinem legitimen Absicherungsbedürfnis gegen eine vorzeitige missbräuchliche Benutzung der Vollmacht Rechung getragen wird.
Das Vorwort der Frau Ministerin suggeriert, dass nur eine Vorsorgevollmacht dazu geeignet sei, die Bestellung eines familienfremden Betreuers zu verhindern. Tatsächlich aber kann auch durch eine Betreuungsverfügung dieses Ziel erreicht werden.
Das Formular ist durch das Ankreuzsystem manipulationsanfällig.
Es ist unter Vollmacht Pkt. 9 von einem ‘oben genannten’ Bevollmächtigen die Rede. Für welche Aufgabenbereiche eine dann ‘weiterhin’ bevollmächtigte Person zuständig sein soll, bleibt offen.
In dieser Form und mit diesem Inhalt ist das Faltblatt nicht geeignet als sachgerechte Information und in der zweifelsfreien Rechtanwendung dem Vorsorgebedarf des Bürgers gerecht zu werden. Die Teilnehmer der Jahrestagung der Leiterinnen und Leiter von Betreuungsbehörden und die Referenten aus Wissenschaft und Justiz sind gerne bereit, dem BMJ in der inhaltlichen und formalen Gestaltung der dringend überarbeitungsbedürftigen nächsten Auflage unterstützend zur Seite zu stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Teilnehmer