Fall von Selbstjustiz Warnung vor Christlicher Patientenverfuegung
Köln – „Weil er die Patientenverfügung seiner schwer kranken Schwiegermutter (82) durchsetzen wollte, hat ein Mann in einem Kölner Krankenhaus die Stecker aus den medizinischen Geräten gezogen.
Die Frau sei drei Stunden später gestorben, sagte ein Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft am Donnerstag und bestätigte damit einen Bericht des "Express". … Das Pflegepersonal hatte den Vorfall schnell bemerkt und den Mann überwältigen können. Die Geräte seien nach wenigen Minuten wieder eingeschaltet worden. …
Die 82-Jährige lag seit dem 26. Juni mit einer Lungenentzündung auf der Intensivstation des Kölner Krankenhauses. Die betreuenden Ärzte erklärten dem "Express" zufolge, ohne Beatmungsgerät sei der Tod der Frau nahe. Der 43-Jährige soll die Klinik darauf hingewiesen haben, dass es eine Patientenverfügung seiner Schwiegermutter gebe.
Laut Bericht entschieden die Mediziner nach längerer Beratung dennoch, die lebenserhaltenden Maßnahmen andauern zu lassen. Kurz darauf stürmte der Schwiegersohn das Krankenbett und zog aus den Geräten in seiner Reichweite den Stecker. Nach dem Vorfall war er von der Polizei vorläufig festgenommen worden. " (Quelle: merkur-online.de)
Schwiegersohn sieht sich voll im Recht
Dem Schwiegersohn der 82-Jährigen, einem Handwerker, kann nun ein Tötungsdelikt vorgeworfen werden.
Die Klinik, das Kölner St. Franziskus-Krankenhaus, hatte seiner Frau und ihm mitgeteilt, die Patientin müsse bald sterben – wenn keine künstliche Beatmung erfolge. Ihr Zustand war sehr schleicht, die Ärzte schlossen sie an ein Beatmungsgerät an und außerdem an Infusionen u. a. mit Adrenalin. Die Rentnerin hatte vor 5 Jahren eine so genannte christliche Patientenverfügung unterschrieben, die Angehörigen meinen, weil sie „nicht künstlich am Leben gehalten werden" wolle. Die Ärzte interpretierten die Patientenverfügung jedoch anders.
Dem EXPRESS gegenüber sagte der Schwiegersohn im Büro seines Strafverteidigers:
„Ich habe mir gedacht: Wenn die Halbgötter in Weiß die Patientenverfügung meiner Schwiegermutter nicht umsetzen wollen, musst du das tun. Für mich ist die Verfügung gültig. Es ist wie mit einem Testament. Das muss man auch nicht erneuern. Das ist erst dann nicht mehr gültig, wenn man es zerreißt."
Warnung vor Christlicher Patientenverfügung
In der BILD ist die fragliche Patientenverfügung abgebildet, es handelt sich eindeutig um den Vordruck, den die beiden christlichen Kirchen herausgegeben haben. Gita Neumann vom Humanistischen Verband warnte vor Vordrucken wie der christlichen Patientenverfügung oder auch entsprechenden notariellen Texte. „Das hat mit einem Testament nicht das geringste zu tun", erklärte sie in Berlin. „Die Scheinsicherheit in der Bevölkerung ist erschreckend. Solche Papiere entsprechen jedoch auch nicht dem jetzt verabschiedeten Patientenverfügungsgesetz. Danach müssen nämlich konkrete ärztliche Eingriffe und Behandlungen ausdrücklich benannt werden, wenn sie verbindlich abgelehnt werden sollen.
Die hier abgebildete christliche Patientenverfügung enthält zum Behandlungsverzicht nur die Aussage: Keine lebensverlängernde Maßnahmen mehr, wenn "… festgestellt wird, dass jede lebenserhaltende Maßnahme ohne Aussicht auf Besserung ist und mein Sterben nur verlängern würde".
Für diesen Fall, wo gar keine medizinische Indikation, d. h. keine Aussicht auf Besserung mehr durch eine lebenserhaltende Maßnahme im Sterben besteht, bedürfe es gar keiner Patientenverfügung mehr. Wenn aber das Sterben durch Organversagen noch mittels Intensivmaßnahme, wie hier künstliche Beatmung, aufgehalten werden kann, tue sich ein widersprüchliches Spannungsfeld auf: „Die christliche Patientenverfügung ist somit in jedem Fall wirkungslos und unverbindlich."
Prof. Stephan vom Dahl, ärztlicher Direktor der Klinik: „In der Verfügung hieß es, dass lebensverlängernde Maßnahmen eingestellt werden sollen, wenn keine Hoffnung auf Rettung besteht. Das war nicht der Fall."
Quelle: BILD mit Abbildung der umstrittenen Patientenverfügung
Hospizstiftung: Null Toleranz
Die Leiche der Frau soll obduziert werden, um zu klären, ob das Handeln des Schwiegersohns den Tod mit verursacht hat. Danach will die Staatsanwaltschaft über mögliche Konsequenzen entscheiden.
Die Deutsche Hospiz Stiftung kritisierte das Vorgehen des 44-Jährigen. „Selbstjustiz ist keine Lösung", erklärte Geschäftsführer Eugen Brysch in Dortmund. Dafür gebe es null Toleranz. Gebe es unterschiedliche Meinungen bei der Auslegung von Patientenverfügungen, habe grundsätzlich das Vormundschaftsgericht zu entscheiden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien daher richtig und konsequent: „Wenn Patientenschutz und Menschenrechte nicht zu leeren Floskeln verkommen sollen, muss jetzt durchgegriffen werden."