Kann Versicherung Zahlung verweigern wegen Patientenverfügung?
Versicherungen, die Leistungen im Todesfall verweigern wollen, verweisen neuerdings auch auf “den Buhmann Patientenverfügung” zu Unrecht
Mit allen Tricks gegen die Auszahlungspflicht
Rechtsexperten nehmen Stellung
Unverbindliche Auskunft bei persönlicher Frage
Der Versicherungsfachwirt Klaus-Dieter Wetzel von der DAS-Rechtsschutz steht Ratsuchenden in Kooperation mit der Zentralstelle Patientenverfügung unverbindlich zur Verfügung. Dabei geht es häufig um die Frage, ob ein Behandlungsverzicht von einer Lebensversicherung prinzipiell als “Suizid” gewertet wird und welche Folgen dies haben kann.
Kontakt:
Klaus-Dieter Wetzel, D.A.S. Versicherung, Tel. (Berlin) 030 66461900; E-Mail: klaus-dieter.Wetzel@das.de>
Seine Antwort:
“Eine Patientenverfügung gefährdet weder den Versicherungsschutz noch bewirkt sie einen Ausschluss von Versicherungsleistungen. In der Unfallversicherung insbesondere Versicherungsschutz für Unfalltod spielt immer der kausale Zusammenhang eine Rolle. Wenn durch einen Unfall aufgrund der körperlichen Gegebenheiten der Tod eintritt, muss die Unfallversicherung die vereinbarte Todesfallsumme bereitstellen. Das gilt auch, wenn der Tod durch eine Krankheit eingetreten ist; hier aber nur dann, wenn dieses sich ursprünglich auf den Unfall bezieht (Kausalität). In der Lebensversicherung ist dieses nicht gegeben, da hier explizit nur der Tod relevant ist. In der Lebensversicherung ist sogar der so genannte Selbstmord mitversichert, wenn die Police entsprechend lange besteht. Es kommt vor, dass Leistungen verweigert werden, heraus gezögert oder sogar versucht wird, dem Kunden eine Mitschuld nachzuweisen. Mit einer Rechtschutzversicherung kann man im Zweifelsfall auch den Klageweg bestreiten, ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand zu haben.
Wenn es sich hier um Vorsorgeverträge bzw. Bestattungsverträge (Sterbegeld) handelt, reicht die Rechtschutzversicherung des betroffenen Versicherungsnehmers aus. (So ist es bei der D.A.S, dieses ist kein Garant für andere Versicherungsunternehmen). Wenn es sich um Privatverträge z. B. Lebensversicherung etc. handelt, wo die bezugberechtigte Person(en) auch die Erben sind oder der Erbe ist, dann benötigen diese bzw. dieser eine eigene Rechtschutzversicherung.”
HINTERGRUND:
Vielfach hatten besorgte Bürgerinnen und Bürger schon bei der Zentralstelle Patientenverfügung danach gefragt. Jetzt war in der Sendung PLUS-MINUS vom 8. April 2008 erneut berichtet worden: ” immer wieder versuchen Versicherer, sich im Fall des Falles vor der Zahlung zu drücken zum Beispiel bei Vorliegen einer Patientenverfügung.”
Der Fall: Margaretha G. hatte vor vielen Jahren eine Unfallversicherung bei der Versicherungskammer Bayern mit einer Todesfallsumme von etwa 10.000,- abgeschlossen. Dort reichte ihre Tochter nach dem Eintritt eben dieses Ereignisses die Unfallanzeige ein. Einige Wochen später antwortete das Unternehmen und lehnte die Zahlung des Betrags kategorisch ab. Dies sei nur möglich, ” wenn der Unfall ursächlich für das Ableben gewesen wäre. Die erlittene Verletzung konnte jedoch nicht als lebensgefährdend eingestuft werden.”
Bundesjustizministerin Zypries: Ggf. Rechtsanwalt einschalten
Zunächst kann zur Klärung auf eine Seite von www.abgeordnetenwatch.de verwiesen werden. Bundesjustizministerin Zypries äußert sich dort wie folgt:
Soweit im Streitfall das zuständige Gericht “prüfen muss, ob ein Versicherungsnehmer die eingetretenen Unfallfolgen durch eine mögliche, aber von ihm abgelehnte medizinische Behandlung hätte mindern können, dürfte es jedenfalls unerheblich sein, ob der Betreffende einen solchen Behandlungsverzicht aktuell erklärt oder vorab in einer Patientenverfügung niedergelegt hat. Das geschilderte Problem mit der Unfallversicherung ist deshalb nicht darauf zurückzuführen, dass die betreffende Patientin eine Patientenverfügung erstellt hatte. Wenn die Erben der Verstorbenen überlegen, ob sie gegen die Versicherung vorgehen, können sie sich von einem Rechtsanwalt beraten lassen.” (Quelle s. u.).
Links und Quellen :
Das Erste/plusminus vom 07.04.2008
Hier finden sich weitere Links, u. a. zu:
Stiftung Warentest Versicherung-Vorsorge
Antwort von Bundesjustizministerin Zypries vom 17.04. auf Frage vom 12.04.2008
Beate Merk: “Zynisch und juristisch absurd”
Ministerin lehnt Beschränkungen des Versicherungsschutzes durch Patientenverfügungen ab
“Das ist absurd”. Mit diesen Worten kommentiert Bayerns Justizministerin Beate Merk, Versuche von Versicherungen, Patientenverfügungen ins Feld zu führen, um sich vor der Zahlungspflicht zu drücken.
“Immer wieder gibt es Informationen, dass Versicherungen Patientenverfügungen benutzen, um die Auszahlung einer Lebens- oder Unfallversicherung zu verzögern oder gar zu umgehen. Werden Sie mit diesem Problem konfrontiert?
BEATE MERK: In Diskussionen werde ich immer wieder danach gefragt. Die Menschen sind beunruhigt. Die Argumente, die Versicherungen nach Medienberichten vorbringen, haben für mich schon fast zynischen Charakter. Sie sind auch juristisch absurd. Durch die Erklärung eines Patienten führen Sie keinen Unfall herbei. Was er tut ist, dass er dem Geschehen seinen natürlichen Ablauf lässt und es nicht beeinflusst.
Quelle: www.suedwest-aktiv.de
Quelle: HZ-Online aus der Region Heidenheim / Rubrik ‘Brennpunkt’ vom 30.05.2008
Mit allen Tricks gegen die Auszahlungspflicht
Patientenverfügungen scheinen für immer mehr Menschen ein guter Weg zu sein, für den Fall vorzubeugen, in dem man selbst nicht mehr entscheiden kann. Doch auch die Versicherungswirtschaft hat das Thema entdeckt aber nicht zum Nutzen ihrer Kunden. Jürgen Hennemann, Fachanwalt für Versicherungsrecht, weiß aus seiner Tätigkeit, dass Versicherungen mit Hinweis auf eine Patientenverfügung versuchen, die Auszahlung einer Unfall- oder Lebensversicherung zu umgehen. Er beobachte, dass Versicherern kein Argument absurd oder grotesk genug sei, um nicht zu versuchen, sich der eigenen Leistungsverpflichtung zu entziehen. Sie führen zum Beispiel an, dass man mit einer Einschränkung für lebensverlängernde Maßnahmen seinen Tod quasi eingeleitet habe. Diese Interpretation wird zwar von vielen Juristen und Verbraucherverbänden bestritten. Das hindert manchen Versicherungskonzern jedoch nicht, auf Zeit zu spielen. Auf diese Weise würden Angehörige Verstorbener gezielt mürbe gemacht, glaubt Hennemann. Der Anwalt aus dem Raum Hamburg sieht nur eine Chance, um sich gegen unhaltbare Auslegungen der Patientenverfügung zu wehren: die Klage.