Lebensqualität standardisierbar? Suizidhilfe ausgrenzbar? Zwei Tagungen
Lebensqualität contra Standardisierung am Beispiel “persönliche Assistenz”
Das Konzept Lebensqualität gilt international als Schlüsselkonzept auch zur Bewertung von Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen. Damit diese ihren persönlichen Wünschen, Werten und Zielen gemäß in der eigenen Wohnung ihren Alltag gestalten können, gibt es das Angebot der sogenannten persönlichen Assistenz. Wie für normale Pflegedienste gelten auch für Anbieter von “Assistenzdiensten” dieselben gesetzlichen Rahmenbedingungen. D. h. beide werden gleichermaßen aufgrund objektiver Qualitätsanforderungen vom MDK (Medizinischen Dienst der Krankenkassen) regelmäßig überprüft.
Dabei können allerdings Expertenstandards wie Dokumentationen oder auch haftungsrechtliche Vorgaben der Selbstbestimmung und der Inanspruchnahme von Persönlichkeitsrechten im Wege stehen. Selbstbestimmung, eine gute Atmosphäre und Zufriedenheit macht sich auf Seiten der Klienten bzw. Patienten in der Hauptsache an subjektiven Kriterien fest. Qualität in der Pflege (ggf. bis hin zur Sauberkeit des Bauchnabels) wird hingegen nach objektiven Kriterien bewertet.
Lebensqualität ist ein offenes Konzept, das objektive Bedingungen und subjektives Wohlbefinden integriert. Doch tut sich bei der Frage: Ist Individualität standardisierbar? unweigerlich ein Spannungsfeld auf.
Dazu findet am 30.09.2011 ab 10.30 Uhr bis 15.30 Uhr in Berlin eine Tagung statt.
Siehe auch: http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/kobinet/custom/pub/content,lang,1/oid,27341/ticket,g_a_s_t/print,1
Der Tagungsbeitrag incl. Getränke und Mittagsimbiss beträgt 30 Euro. Auf Assistenz angewiesene Sozialhilfeempfänger zahlen die Hälfte (Begleitpersonen frei). Ab 16 Uhr Empfang, 17.30 Uhr musikalische Überraschung, 18 Uhr Kulinarische Spezialitäten.
Anmeldung bis zum 15.9. beim Veranstalter http://www.adberlin.com oder unter Tel. 030 690487 23
Podiumsdiskussion in Potsdam “In Würde sterben” – Charta umsetzen
Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 17
7. September 2011, 18.00 Uhr bis 20.30 Uhr
Umsetzung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich
Veranstalter:
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung
Tel.: 0331/866 3541; Mail: info@blzpb.brandenburg.de
Vorgestellt und erläutert wird die o. g. Charta aus dem Jahr 2010, hier der vollständige Charta-Text
Gegen eine vermeintlich einseitige Besetzung des Podiums mit Hospiz- und Palliativvertretern ist im freigeschalteten Kommentar-Forum zu dieser Veranstaltung in mehreren Beiträgen Widerspruch artikuliert worden. Er wendet sich auch gegen die strikte Ausgrenzung des ärztlich assistierten Suizids in der Charta.
Auszüge aus Kommentaren auf der Internetseite des Veranstalters:
Veröffentlicht von Lutz Barth am 22. August 2011 – 8:43
Der Diskurs ist nach wie vor zu entmythologisieren, zumal jedenfalls mit Blick auf das frei verantwortliche Sterben in der Tat einige prominente Ethiker und Ärztefunktionäre uns allen den `Glauben schenken wollen´, dass jedenfalls das Heil ausnahmslos in einer palliativmedizinischen Betreuung zu erblicken sei, die derzeit flächendeckend nach wie vor nicht gewährleistet ist. Problematisch ist, dass Ethiker in ihren Schriften und Beiträgen nicht selten den faden Beigeschmack hervorrufen, dass in gewisser Weise das `Leid verklärt´ wird und im Übrigen sich der Patient in den Dienst der palliativmedizinischen Forschung zu stellen habe.
Eine solche Botschaft namhafter Ethiker ist rechtsethisch mehr als problematisch, wird doch der Patient durch eine solche Betrachtung zum Objekt der Palliativmedizin degradiert, auch wenn ansonsten die Ethiker ganz artig betonen, nur das `Wohl ihrer Patienten´ im Auge behalten zu wollen. Die Debatte kann nur sinnvoll befriedet werden, wenn der Wille des Patienten hinreichend akzeptiert wird und sofern die Initiatoren der Charta selbst sich eingestehen, nicht jeden Weg des schwersterkrankten und sterbenden Patienten mitgehen zu können (die Selbstverpflichtung im Sinne der Charta schließt ja eine ärztliche Suizidassistenz aus), dann wird zu fragen sein, wer dann die Suizidassistenz leisten soll? .
Der `Blick in die ethische Glaskugel´ ersetzt eben nicht die Verfassungsrechtswissenschaft, geschweige denn eine Diskussionskultur, in der die Argumente entsprechend zu gewichten sind. Hieran ermangelt es zur Zeit und die allgemeinen Sonntagsreden über ein würdevolles Sterben können nicht darüber hinweg täuschen, dass letztlich Überzeugungstäter sich auf einer besonderen ethischen und moralischen Mission befinden, in der die Bedeutung insbesondere der Grundrechte (und selbstverständlich auch die Menschenrechte!) sowohl für die Patienten, aber auch für die Ärztinnen und Ärzte entweder verkannt, oder in einem Sinn interpretiert und umgedeutet werden, der für mich persönlich schwer erträglich ist.
Veröffentlicht von Heribert Süttmann am 22. August 2011 – 7:50
… In zwischenmenschlichen Beziehungen mit extremem Machtgefälle (Erwachsene / Kinder; Ärzte / Patienten) kommt es auf die Anständigkeit des stärkeren Beziehungspartners in ganz entscheidendem Maße an.
Die BÄK und die palliativ- bzw. Hospiz-Lobbies treten mit dem aggressiven Habitus eines Gutmenschentums auf, bevormunden aber die Leute unter Vortäuschung der Tatsache, sie könnten das Sterben schon gut regeln, sofern der Staat ihnen nur die dafür erforderliche Finanzierung bereitstellte.
Jeder weiß aber, dass der Staat die flächendeckende kostenintensive palliative oder Hospiz-Versorgung nicht organisieren kann und also auch nicht herbeiführen, geschweige denn dauerhaft gewährleisten wird. Wenige hingegen, vermutlich nicht einmal mein verehrter Diskussionspartner, wissen, dass auch das Versprechen eines guten Sterbens nicht gehalten werden kann
Vollständig (sowie weitere Kommentare) siehe:
http://www.politische-bildung-brandenburg.de/veranstaltungen/w%C3%BCrde-sterben