Luxemburg: Palliativgesetz mit erlaubter Tötung auf Verlangen
Das Luxemburgische Parlament hat am 19.02., einstimmig einer Regierungsvorlage für das Recht auf krankenkassenfinanzierte Palliativmedizin zugestimmt. Nach einer Marathonsitzung votierte am späten Abend gleichzeitig eine sehr knappe Mehrheit für eine mögliche Straffreiheit bei ärztlich geleisteter “aktiver” Euthanasie (wie Sterbehilfe außerhalb Deutschlands meist genannt wird). Die Euthanasie-Regelung der beiden Parlamentarier Jean Huss (Grüne) und Lydie Err (LSAP, Sozialistische Partei Luxemburg) ist nunmehr verabschiedet und auf dem Instanzenweg. Somit ist die “aktive Sterbehilfe” (oder rechtlich präziser: “Tötung auf Verlangen”) an unheilbar kranken Patienten, sofern diese ihren Wunsch ausdrücklich geäußert haben, in einem dritten europäischen Land legalisiert worden.
Voraussetzung ist, dass ein unheilbar kranker und unerträglich leidender Patient freiwillig, überlegt und wiederholt schriftlich den Willen zur Beendigung seines Lebens bekundet, oder dass er ärztliche Suizidbeihilfe wünscht. Ärzte sind nach dem Gesetz verpflichtet, mehrere ausführliche Gespräche mit ihren Patienten über ihre Entscheidung zu führen und einen anderen Arzt zur Beratung hinzuzuziehen. Sämtliche Sterbehilfe-Fälle werden laut dem Gesetz von einer Kontrollkommission überprüft.
Für die Euthanasie-Gegner war klar, dass die mit dem neuen Palliativgesetz in Kraft tretenden Neuregelungen z. B. zur Schmerztherapie und zum Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen ausreichend sind. Die Befürworter der Sterbehilfe indes sahen dies anders, für sie ist die Möglichkeit der Euthanasie die “Weiterführung” der Palliativpflege in einigen Extremfällen. Tatsächlich geben auch manche Palliativ-Mediziner ehrlich zu, die palliative Medizin könne zwar sehr viel, aber nicht alles. Immer wieder schlügen bei einigen Prozent der Schmerzkranken die Schmerz lindernden Mittel wie Morphium oder Barbiturate nur schlecht an oder wirkten nicht.
Zudem, kommentierte Jean Huss, sei bei manchen Betroffenen der psychische Schmerz über den eigenen Zustand viel schlimmer als der körperliche Schmerz. So zum Beispiel, wenn man sich nach einem schweren Unfall, bei amyotrophen Lateralsklerosen oder bei Muskelatrophien überhaupt nicht mehr bewegen oder kommunizieren könne. Oder wenn sich bei einem inflammatorischen Brustkrebs in offenen Wunden Maden einnisteten und vermehrten: mitzuerleben, wie der eigene Körper lebendig verrotte. Oder die fürchterliche seelische Pein, Nacht für Nacht Todesangst vor dem Ersticken zu erleben. Diese Menschen sollten selbst ihren Todeszeitpunkt bestimmen, so Huss, “sie brauchen aktive Sterbehilfe”.
Wenn beide Positionen dasselbe proklamieren
Beide Positionen beanspruchen, das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende und einen würdevollen Tod. Tatsächlich hatte die zuständige Parlamentskommission für Soziales und Gesundheit Mitte Januar festgelegt, dass beide Projekte in der gleichen Sitzung allerdings getrennt voneinander zur Abstimmung kommen sollen. Einen ähnlichen Weg war bereits vor Jahren Belgien gegangen: Gesetzlicher Ausbau der Palliativmedizin kombiniert mit möglicher ärztlicher Tötung auf Verlangen.
Mit dem gestrigen Votum ist eine in Luxemburg seit 1996 laufende kontroverse Debatte zu Sterbebetreuung contra Sterbehilfe (vorläufig?) abgeschlossen worden. Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) lobte die Regierungsvorlage als “Durchbruch ” und eine “solide Basis für den Ausbau von Palliativpflege”. Quer durch die Parteien gab es am Dienstag Zustimmung zur Regierungsvorlage. Die Berichterstatterin Lydia Mutsch (LSAP) sprach von einer “gesunden Balance zwischen den Interessen des Patienten und den Pflichten der Ärzte”.
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