Neuer Ausweg am Lebensende vorgestellt
Am 10. Juni wir das neue Buch Ausweg am Lebensende selbstbestimmtes Sterben durch freiwillligen Verzicht auf Essen und Trinken vorgestellt (Autoren: Dr. Boudewijn Chabot und Dr. Christian Walther).
Der Reinhardt-Verlag läd ein zu einer Podiumsdiskussion um 18:30 Uhr in die Evangelische Akademie, München, ein.
Das hervorragende Geleitwort stammt von dem Medizinethiker Dieter Birnbacher, Prof. für praktische Philosophie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf.
Auszug:
Nicht nur die Ansprüche an die Qualität des Lebens, auch die Ansprüche an die Qualität des Sterbens wachsen und stellen die Gesellschaft vor neue und schwierige Herausforderungen.
Die Mehrzahl der Menschen hat den Wunsch, zu Hause und im Kreis ihrer Nächsten zu sterben, aber oft ist dieser Wunsch nicht erfüllbar … Auch der Wunsch nach Selbstbestimmung am Lebensende stößt oft auf unüberwindliche Hindernisse, insbesondere dann, wenn ein Mensch den Zeitpunkt seines Sterbens, so weit es die Umstände zulassen, selbst bestimmen möchte und dafür auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Da in Deutschland die aktive Sterbehilfe rechtlich verboten ist und eine ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung als mit dem ärztlichen Ethos unvereinbar gilt, bleiben zur Verwirklichung dieses Wunsches nur begrenzte Möglichkeiten. Dazu gehören die Hoffnung, dass ein Verzicht auf weitere Behandlung und eine gute palliative Begleitung in einen sanften Tod einmünden; die Option einer einsamen und vielfach gewaltsamen Selbsttötung; und der belastende und oft würdelose Weg des `Sterbetourismus´. Der Bedarf an einer neuen und nicht mehr nur religiös verstandenen Ars moriendi , einer `Kunst des Sterbens´ ist unübersehbar.
In dieser Situation gewinnen Formen des Sterbens an Bedeutung, die einerseits dem Bedürfnis nach einem selbstbestimmten Lebensende entgegenkommen, aber andererseits die Bereitschaft professioneller Helfer, die Wünsche Schwerkranker zu unterstützen, nicht überfordern.
Eine solche Form ist der in diesem Buch beschriebene Weg des selbstbestimmten Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit. Dieser Weg ist kein leichter und bequemer Weg. Aber dieser in der Diskussion um die Sterbehilfe bisher vernachlässigte Weg scheint wie kein anderer geeignet, das bei vielen älteren Menschen vorhandene Autonomiebedürfnis mit den Vorbehalten der Ärzte und der Gesellschaft gegen eine aktive Mitwirkung am Tod eines Menschen zu versöhnen.
Es überbrückt in gewisser Weise die Kluft, die in unserem Kulturbereich seit alters zwischen der spätantiken und der christlichen Auffassung vom guten Sterben bestand.
Das Niveau dieses (medizin-)ethischen Tiefgang von Prof. Birnbacher kann allerdings im Buch selbst nicht eingelöst werden. Einige Stellen müssen sogar als bedenklich angesehen werden. So wird auf S. 43 eine Intensive Schmerztherapie und palliative Sedierung als eine von vier Möglichkeiten eines legalen Auswegs aufgeführt, den Tod vorzeitig und auf humane Weise herbeizuführen. Unverständlich bleibt auch der Vorschlag a.a.O., dass es Beihilfe zum Sterben statt des doch klareren Begriffs Beihilfe zum Suizid (bzw. zur Selbsttötung) heißen sollte. Zumindest hinterfragbar dürfte zudem die behauptete rechtliche Qualifizierung der neuen Sterbehilfeform FVNF als Selbsttötungshandlung (S. 102) sein, d.h. als aktiver Vollzug einer tödlichen Handlung (Tatherrschaft auf seiten des Betroffenen) durch Verweigerung.
Darüber sollte und kann hinweg gelesen werden. Die Stärke des Buches sind die sehr leicht verständlichen Erklärungen, praktischen Hinweise und Fallgeschichten. Die Leser/innen werden förmlich an die Hand genommen. Ein Formular zur Modifizierung der Garantenpflicht runden die detaillierten Hinweise zur Vorbereitung auf einen solchen Schritt ab. Wir erfahren auch alles Medizinische über die Änderungen im Stoffwechsel. Nichts wird beschönigt oder verklärt. Praktische Hilfe und ethische Überlegungen bietet das Buch auch für Helfer und Angehörige, die diesen Sterbeprozess begleiten. V. a. bei den Anleitungen zur Mundpflege incl. den Produktnamen der empfohlenen Mittel könnte man glauben, wieder einen der ersten Hospizratgeber “Sterben zu Hause” vor sich zu haben.
Ja, es könnte sich um die Neuerfindung einer nunmehr entideologisierten Hospizbewegung handeln, wie sie Prof. Reimer Gronemeyer in Abkehr von der Regelfinanzierung der Hospizarbeit vorschwebt (der sich allerdings eine andere Neuerfindung vorstellen dürfte). Lesenswert sind Gronemeyers zehn Thesen, die er am 15. Mai 2010 im Rahmen der nordelbischen Hospiz- und Palliativtage vorlegte. Gronemeyer, Theologe und Sozialwissenschaftler, ist ein kritisch-solidarischer Beobachter der Hospizbewegung. Er wirft ihr den “Sündenfall” vor, von einem ehrenamtlichen, unentgeltlich-häuslichen Begleitdienst erfolgreich in die Krankenkassenförderung und Bürokratisierung hineingewachsen zu sein.
So würde die Laien-Bewegung ins Gegenteil verkehrt, letztlich einem auch ökonomisch interessanten Bedürfnis nach medikalisiertem Sterben durch professionelle Palliativmediziner Vorschub geleistet, meint Gronemeyer.
Am 2. Juni findet vor dem BGH-Strafrechtssenat der Revisionsprozess von RA Wolfgang Putz statt. Zur Erinnerung: gericht-ra-putz-handelte-ehrenhaft-wieso-dann-verurteilung?
Mit einem Urteil noch am selben Tag ist zu rechnen. Der Patientenverfügung-newsletter wird aktuell berichten, eine Prozessbeobachterin ist vor Ort in Karlsruhe.
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Der letzte Patientenverfügung-newsletter Hoppe bleibt hart vom 18.5. hat wieder Reaktionen und Kontroversen ausgelöst, was immer willkommen ist. Dabei ging es auch um Stilfragen beim Kritiker der Bundesärtzekammer, Lutz Barth. Hier die diesbezügliche Korrespondenz mit dem Patientenverfügung-newsletter-Abonnenten RA Zacher Beschimpfung Andersdenkender
Auch in der Presse wurde über der schwelende Dissens in der ärztlichen Standesethik zur Suizidhilfe aufgegriffen:
http://www.merkur.de/2010_20_Grauzonen_am_Ende.42388.0.html?&no_cache=1