Palliativ-Medizin: Ethik-Charta der DGSS auch zu Selbsttötung und Religiosität
Berlin, 25.10.2007
Prof. Dr. Michael Zenz, Universität Bochum, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) u. a. Autoren stellten am 25.10. 2007 anläßlich eines so genannten Parlamentarischen Abends in Berlin ihre Ethik-Charta vor>
Überraschend für die Autorin dieser Seite kam dort auch zur Sprache, das “negative” religiöse Einflüsse Schmerzpatienten v. a. am Lebensende durchaus schaden können. Gemeint sind damit etwa Einstellungen wie “warum muss Gott mich so schwer strafen”. Siehe dazu Streit um eine neue Untersuchung:
Ärztezeitung: Kann Religiosität kranken Menschen schaden?
Es ist durchaus empfehlenswert, statt der Download-Kurzfassung die Ursprungsfassung (24 Seiten) der DGSS-Ethik-Charta zu lesen. Dort finden sich Artikel auch zu religiös-spirituellen Aspekten und zur Selbsttötung.
Letztere wird angesichts der sonst strikten Tabuisierung durch etwa durch Bundesärztekammer und Palliativmedizin erstaunlich offen und sachlich diskutiert. Die ärztlich assistierte Suizidhilfe sei in Deutschland “nicht mit Strafe bewehrt”, es existiere aber ein “Wertungswiderspruch”, da die deutsche “liberale Haltung” durch die gesetzliche Garantenpflicht “eingeschränkt oder sogar konterkariert” werde. Eine “konstruktive, öffentliche Diskussion” zur ärztlichen Beihilfe zum Suizid finde im Unterschied etwa zur Ärzteschaft in der Schweiz oder in Oregon “nur sehr zögerlich statt.” Als Ausgangspunkt hat dabei zu gelten: “Der Wunsch, eines Menschen, das eigene Leben zu beenden, wird aus der Sicht der Suizidverhütung mit gutem Grund primär mit der Frage beantwortet, ob dieser Sterbewunsch durch gezielte Hilfe überwunden und die Tat verhindert werden kann. Oft ist es bei Tumorpatienten nicht einmal der Schmerz, der zu diesem Wunsch führt “.
Die Ethik-Charta ist kostenlos zu bestellen bei der Geschäftsstelle der DGSS (Obere Rheingasse 3, 56154 Boppard, info@dgss.org).
Zum Herunterladen im Internet:
Ethik-Charta DGSS
(idw) “Linderung vor Leben”: DGSS präsentiert die erste deutsche Ethik-Charta
Umgang mit Sterbenden
“Viele Mediziner fürchten rechtliche Schwierigkeiten, wenn sie durch den Einsatz von hochwirksamen Schmerzmitteln am Lebensende als Nebenwirkung eine Verkürzung des Sterbeprozesses in Kauf nehmen. Das ist aber keine Sterbehilfe. Es ist ethisch und rechtlich zulässig, ebenso wie die Therapiebegrenzung, d. h. die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen oder der Verzicht darauf, wenn diese nicht mehr sinnvoll erscheinen. “Eine symptomorientierte, angemessene Medikation sollte nicht daran scheitern, dass Ärzte die Grenze zwischen erlaubt und verboten nicht ziehen können oder dies nicht zu tun wagen”, unterstreichen die Autoren der Ethik-Charta. Die Rechtsprechung erklärt Schmerzlinderung zum Recht jedes Menschen, erläuterte Klaus Kutzer, Richter am Bundesgerichtshof a. D. Wer sie verweigert, mache sich unter Umständen strafbar. Gerichte lassen auch das Argument der personellen Unterversorgung in Kliniken nicht als Rechtfertigung für eine mangelhafte Schmerztherapie gelten.
Chronischer Schmerz: Eine Krankheit, die das Leben einschränkt
Auch wenn Schmerz nicht mit einer zum Tode führenden Erkrankung verbunden ist, kann er für den Betroffenen einen großen Verlust an Lebensqualität bedeuten. Chronische Schmerzen sind eine eigenständige Krankheit, die nicht nur körperliche, sondern auch seelische und soziale Auswirkungen hat. Entsprechend muss sie durch ein Team von Spezialisten behandelt werden. In den meisten Fällen ist die Ursache für chronischen Schmerz ein unzureichend behandelter akuter Schmerz. Deswegen fordern die Autoren der Ethik-Charta eine frühzeitige Ausbildung angehender Mediziner in der Behandlung von Schmerz und das Pflichtfach Schmerztherapie in der Weiterbildung. “Selbst in der Weiterbildungsordnung für Orthopäden und Neurologen kommt die Schmerztherapie nur am Rande vor”, unterstrich Prof. Zenz beim Parlamentarischen Abend
Quelle: “Linderung vor Leben” aus Uni-protokolle.de
Aktueller Literaturhinweis:
Johann-Christoph Student & Annedore Napiwotzky:
Palliative Care wahrnehmen verstehen schützen. Buch und DVD, Thieme, Stuttgart 2007, 230 S., 100 Abb. Preis: 34,95 , ISBN: 9783131429414
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