Palliativmediziner: Wir haben auch verbotene Sterbehilfe geleistet
Ein Endbericht zum Krebskongress (im gedruckten Tagesspiegel vom 4. 3. ) führt zutage:
Die Palliativmedizin kann durchaus leichte paternalistische Züge aufweisen. Ähnlich dem, was den Niederländern immer vorgeworfen wird, kam in einer anonymen Ärztebefragung zudem heraus: 2 Angaben (bei insgesamt 780 befragten Palliativmedizinern) gaben eine Tötung ohne Verlangen am Lebensende zu. Zudem würden auch bei der “terminalen Sedierung” einwilligungsfähiger Patienten diese nicht immer ausdrücklich gefragt werden. Dazu mag passen, dass – ebenso wie in den Niederlanden üblich – eine Suizidbegleitung demgegenüber mit nur 1 Angabe deutlich geringer ausfällt. Bekannt ist, dass Palliativmediziner z. B. von Homecare das Gesamtsystem Familie und nicht isoliert die autonome Patientenentscheidung im Auge haben.
Von Rosemarie Stein:
Erstaunlich viele und gut besuchte wissenschaftliche Veranstaltungen des 29. Deutschen Krebs-Kongresses befassten sich mit der palliativen, das heißt lindernden Versorgung von Krebspatienten in der letzten Phase ihrer Krankheit … Um Symptome unklaren Ursprungs zu erkennen und wirksam zu behandeln, finden auch in Palliativstationen noch Untersuchungen statt … Hängen Beschwerden mit der Krebsgeschwulst zusammen und spricht sie auf ein gut verträgliches Mittel an, kann eine palliative Chemotherapie von Nutzen sein.
Leider geschieht mit Krebskranken im letzten Stadium ihres Leidens auch viel Sinnloses und Quälendes. Brigitte Schwalbe von den DRK-Kliniken Berlin Westend erlebt als Leiterin der Notaufnahme ständig, das Sterbende im letzen Moment (der Pfarrer wurde schon ins Haus gebeten) in die Klinik gebracht werden, weil hilflose Angehörige einen ebenso hilflosen Notarzt alarmiert haben. Wie neue Studien zeigen, werden bei vier Prozent aller Notarzteinsätze, auch in Pflegeheimen, Beinahe-Tote eingewiesen. Die meisten sterben noch in der Notaufnahme und selbst erfolgreich Reanimierte binnen 48 Stunden.
Auch Palliativmediziner das brachten mehrere von ihnen offen zur Sprache können überfordert sein. Zum einen, wenn sie mit Total Pain konfrontiert sind … Leiden von Todkranken in allen seinen Dimensionen. …. Zum anderen, wenn sie im Ausnahmefall nicht einmal die körperlichen Beschwerden bis zur Erträglichkeit reduzieren können und die schwer Leidenden sich den Tod wünschen.
Über erste Ergebnisse einer anonymen Befragung von 780 Palliativmedizinern berichtete Jan Schildmann von der Universität Bochum.
Einer gab an, Beihilfe zum Suizid geleistet zu haben (was nicht strafbar ist). Siebenmal wurde Tötung auf Verlangen, zweimal sogar Tötung ohne Verlangen zugegeben (beides als aktive Sterbehilfe strikt verboten). Und 600 mal gaben die Ärzte an, unerträgliche Beschwerden medikamentös gelindert zu haben, und zwar unter Inkaufnahme einer möglichen Lebens- oder eher Sterbensverkürzung (als terminale Sedierung nicht verboten). Auch einwilligungsfähige Patienten wurden nicht immer in die Entscheidung einbezogen; wie die Ärzte meinten, zu ihrem Besten. …
Quelle:
http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/art304,3047338
Marburger Symposion am 17.3.
Mit Bewältigungs- und Belastungserfahrungen beschäftigt sich das 4. Marburger Symposions für Palliativmedizin und Hospizarbeit.
Thema: Unsere Schatten folgen uns nach – Wenn die Last des Lebens zur Last des Sterbens wird.
Zeit: 13. März 2010, 9-17.15 Uhr, Teilnahmebeitrag 35 Euro
Ort: Hörsaal der Philipps-Universität Marburg
Siehe Programm: http://www.hospiz-marburg.de/4_Symposion.pdf
Angenehm fällt auf, dass dabei auch einmal die Illusion vom schönen Tod problematisiert wird und Umgang mit Schuldgefühl, Vergebung, Last und Selbstzweifel im Vordergrund stehen.
Nachtrag
Die zum 29. Krebskongress veröffentlichten sehr detaillierten Statistiken waren bezüglich des Gesamtwertes der Krebskranken (bestehende Erkrankungen und in 2010 schätzungsweise hinzukommende abzüglich Todesfälle und vollständige Genesungen) sehr schwer zu durchschauen