Pflegefall müssen die eigenen Kinder zahlen?
Elternunterhalt auf dem Prüfstand
24. Okt. 2002
Erleichterung für Millionen erwachsene 'Kinder' in Deutschland: Wenn die eigenen Eltern einmal pflegebedürftig werden, müssen die Nachkommen zwar mit für den Unterhalt aufkommen – die Sozialämter dürfen ihnen dabei aber nicht dauerhaft erhebliche Einbußen vom Lebensstandard zumuten.
Dies ist der Kern des am Donnerstag verkündeten Grundsatzurteils des Bundesgerichtshofs (BGH). Die rechtliche Frage, welche der BGH zu entscheiden hatte, lautete: Müssen erwachsene Kinder für ihre Eltern Unterhalt selbst dann leisten, wenn dadurch ihre eigene Alterssicherung angegriffen wird? Bundesweit gibt es über 8.000 Alteneinrichtungen mit rund 650.000 Plätzen. Die Pflegeversicherung zahlte im vergangenen Jahr an 578.000 Heimbewohner Pflegegeld aus, dabei sind 80 Prozent der Pflegebedürftigen älter als 65 Jahre.
Verdopplung bis 2005
Das Pflegerisiko steigt mit dem Alter und die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich in den kommenden Jahren kontinuierlich erhöhen. Nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird sich ihre Zahl bis 2005 verdoppeln.
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Gleichzeitig steigen die Kosten für Pflege und die Sozialkassen sind leer. Ein Heimplatz für schwer Pflegebedürftige kostet nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) in Bonn schon heute pro Monat um 2.500 Euro in den neuen und 3.000 Euro in den alten Bundesländern. Die Pflegeversicherung dagegen zahlt selbst in Härtefällen maximal 1.688 Euro.' In immer mehr Fällen reichen Rente und Pflegeversicherung nicht mehr aus', weiß die BAGSO-Sprecherin Ursula Lenz.
Berechnungen bislang sehr uneinheitlich
Nach dem Unterhaltsrecht sind dann die Kinder dran. Zwar streckt das Sozialamt häufig die Kosten vor, kann sie dann später aber von den Kindern zurück holen. Nach Erfahrung der Beratungseinrichtungen des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) kommt dies in der Praxis zwar – bisher – noch nicht allzu häufig vor, doch gibt es darüber große Befürchtungen, zumal niemand so recht zu sagen vermag, was eigentlich auf die Kinder zukommt. Denn das Vorgehen und die Berechnung der Unterhaltsansprüche durch die Sozialämter ist sehr uneinheitlich und wenig durchschaubar.
Immerhin, so die Bundesbeauftragte des HVD für Patientenverfügungen, Gita Neumann, haben die Karlsruher Richter mit der jetzigen Entscheidung für Hunderttausende Senioren und ihre Angehörigen etwas mehr Klarheit geschaffen: 'Sie nehmen den Kindern zumindest die Angst, den eigenen Lebensstandard erheblich einschränken zu müssen.'
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat am Mittwoch die Belastungsgrenze erwachsener Kinder überprüft, die für den Heimaufenthalt ihrer Eltern Unterhalt zahlen müssen. Im konkreten Fall waren die Eltern eines Mannes, der inzwischen selbst Rentner ist, über Jahre in einem Altersheim untergebracht. Ihre eigene Rente reichte für die Heimkosten nicht aus. Man spricht inzwischen von der so genannten Sandwichgeneration, die sowohl für ihre Kinder als auch ihre Eltern Unterhalt leisten müssen. Nach bestehender Rechtsprechung steht fest, dass jedenfalls das Eigenheim dazu nicht verkauft
werden muss.